Rn 1
Die Einkommensteuerschuld ist Masseverbindlichkeit, sofern sie nicht als Insolvenzforderung zu qualifizieren ist oder dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen ist. Dabei erfolgt die Zuordnung entsprechend den insolvenzrechtlichen und nicht den steuerrechtlichen Vorschriften.
Die Unterscheidung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung folgt dem zeitlichen Moment, je nachdem ob die Steuerschuld vor oder nach Insolvenzeröffnung begründet wurde. Nachdem die Einkommensteuerschuld als Jahressteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, aber die Entstehung für die Einordnung als Masseverbindlichkeit unbeachtlich ist, ist, soweit die Insolvenzeröffnung während des Jahres erfolgt, eine zeitliche Aufteilung vorzunehmen.
Die Unterscheidung zwischen Masseverbindlichkeit und insolvenzfreiem Vermögen erfolgt danach, ob der Insolvenzverwalter gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch eine Handlung oder in sonstiger Weise eine Masseverbindlichkeit begründet hat.
Rn 2
Hat der Insolvenzschuldner lediglich Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung, so ist eine Steuernachzahlung keine Masseverbindlichkeit, weil die Einkommensteuer auf der Arbeitstätigkeit des Schuldners beruht und diese nicht Gegenstand der Masse ist. Zur Insolvenzmasse gehört nur der allgemein pfändbare Teil des Arbeitseinkommens gemäß § 850 e ZPO. Besteht das Arbeitseinkommen nicht aus einem Pfändungsanteil, den der Insolvenzverwalter zur Masse ziehen kann, dann liegt hinsichtlich des Arbeitseinkommens eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters nicht vor, so dass eine Masseverbindlichkeit aus der zu wenig abgeführten Lohnsteuer nicht entstehen kann. Aber selbst wenn ein Pfändungsbetrag aus dem Arbeitseinkommen zur Masse fließt, liegt nach Ansicht des BFH keine Masseverbindlichkeit vor, da nicht alle mit einem Masseertrag in Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten sind.
Der Umkehrschluss, dass ein Masseertrag stets auf einer Verwaltungsmaßnahme beruht und damit zu Masseverbindlichkeiten führt, ist nicht ohne weiteres möglich.
Nachdem das Arbeitseinkommen nicht Gegenstand der Masse ist, ist auch die aus dem Arbeitseinkommen zu zahlende Lohnsteuer keine Masseverbindlichkeit. Die Abschlusszahlung, also die Einkommensteuer, die sich ergibt, weil die abzuführende Lohnsteuer zu gering bemessen war, steht mit dem Arbeitseinkommen in Zusammenhang und nicht mit dem pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens. Sie ist ebenso wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben, die zur Erzielung des Arbeitseinkommens erforderlich sind, aus dem insolvenzfreien Vermögen zu zahlen. Ferner begründet der BFH seine Ansicht damit, dass ein Neuerwerb gemäß § 35 InsO zur Masse zu ziehen ist und den Neugläubigern nur das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verbleiben soll.
Dies ist wenig nachvollziehbar, da die Höhe der Lohnsteuer im direkten Zusammenhang mit der Höhe des Nettoarbeitseinkommens und dem Pfändungsbetrag steht.
Es erscheint auch bedenklich, dass der Insolvenzverwalter eine Steuererklärung für den insolvenzfreien Bereich abzugeben hat.
Beruht die Einkommensteuer des Insolvenzschuldners auf Renteneinkünften, kann nichts anderes gelten, da Renteneinkünfte grundsätzlich unpfändbar sind, es sei denn es ergibt sich wie bei Arbeitseinkommen ein Pfändungsanteil gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO oder § 54 Abs. 4 SGB I.
Rn 3
Einnahmen und Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit sind gemäß § 35 InsO massezugehörig, so dass die Einkommensteuer, die sich aufgrund des erzielten Gewinns ergibt, Masseverbindlichkeit ist.
Dabei ist es unerheblich, ob die selbstständige Tätigkeit bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung begonnen wurde, da auch der Neuerwerb massezugehörig ist.
Hat der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben und demgemäß die Betriebseinnahmen nicht zur Masse gezogen, so ist die Massezugehörigkeit aufgehoben, so dass eine zu zahlende Einkommensteuer nicht Masseverbindlichkeit ist.
Übt der Insolvenzschuldner eine selbstständige Tätigkeit aus unter Verwendung von nicht massezugehörigen Wirtschaftsgütern und fließen die Betriebseinnahmen nicht zur Masse, so ist eine aufgrund der Geschäftstätigkeit zu zahlende Einkommensteuer nicht Masseverbindlichkeit, da eine Handlung des Insolvenzverwalters gemäß § 55 Abs. 1 InsO nicht vorliegt.
Hierbei ist es unerheblich, ob der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit kennt und duldet oder nicht kennt. Den Einsatz der Arbeitskraft und Verwendung von unpfändbaren betrieblichen Wirtschaftsgütern kann der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner nicht untersagen, so dass eine Verwaltungsmaßnahme gemäß § 55 InsO, die zu Masseverbindlichkeiten führt, nicht vorliegt. Aus der Möglichkeit der Freigabe des Geschäftsbetriebs gemäß § 35 Abs. 2 InsO wird nach Ansicht des BFH deutlich, dass der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet sein kann Erträge zu versteuern, die er nicht erhalten hat. Ob allerdings nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO eine Verpflichtung und zu welch...