Gesetzestext

 

(1) 1Vorbehaltlich der Vorschriften über die Einschränkung der Weitergabe von Informationen besteht für den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und für die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung. 2Sie haben einander unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das jeweilige andere Verfahren von Bedeutung sein können, insbesondere den Stand der Anmeldung und der Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung eines Insolvenzverfahrens.

(2) Vorbehaltlich der für die einzelnen Verfahren geltenden Vorschriften sind der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und die Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens zur Zusammenarbeit verpflichtet.

(3) Der Verwalter eines Sekundärinsolvenzverfahrens hat dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art der Verwendung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten.

1. Art. 31 als Vorschrift über die Kooperations- und Unterrichtungspflicht

 

Rn 1

Das Haupt- und das Sekundärinsolvenzverfahren sind unabhängige Verfahren. Sie betreffen aber denselben Schuldner, nur das Vermögen ist auf unterschiedliche Hoheitsgebiete verteilt. Dies macht eine Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter erforderlich.

 

Rn 2

Art. 31 regelt nur die Zusammenarbeit der Verwalter. Man kann aber aus einem Umkehrschluss dieser Norm nicht schließen, dass die Gerichte nicht zur Kooperation verpflichtet sind bzw. verpflichtet werden können.[1]

 

Rn 3

Das geltende einzelstaatliche Recht regelt gegebenenfalls die Frage der Haftung des Verwalters bei einer Verletzung seiner Pflichten im Sinne des Art. 31.

 

Rn 4

Zum Teil wird bemängelt, dass die Mitteilungs- und Konsultationspflichten eher Ausdruck eines Liquidationsverfahrens sind, nicht aber einer grenzüberschreitenden Reorganisation.[2] Die Kooperationsvorschriften würden nur sicherstellen, dass inländische Gläubigerinteressen grenzüberschreitend geltend gemacht und die Verfahrensinteressen einer Verwaltung in parallelen Verfahren gehört werden können. Eine enge Koordination zweier Reorganisationsverfahren über eine Holding, deren Tochtergesellschaften unterschiedliche wirtschaftliche Schicksale haben, sei damit nicht möglich.[3]

 

Rn 5

Ein Beispiel für eine koordinierte Verwaltung mit Hilfe von "Protokollen" bei einer Reorganisation stellt das Insolvenzverfahren Maxwell Communications Corp. dar.[4]

 

Rn 6

Parallele Insolvenzverfahren in England (Sitzort) und den USA (Vermögensbelegenheit) wurden im Interesse einer Reorganisation durch eine Vereinbarung der Verwalter koordiniert, der beide Konkursgerichte zugestimmt haben. Es standen sich in England und in den USA zwei selbständige Insolvenzverfahren über die MCC-Holding gegenüber, deren übereinstimmendes Ziel die Reorganisation der MCC-Gruppe war. Obwohl im MCC-Fall drei Viertel der Masse – die wesentlichen MCC-Tochtergesellschaften – in den USA lagen, entschieden sich die Verwalter für eine koordinierte Verwaltung.[5] Dies geschah durch eine entsprechende Vereinbarung, deren Abschluss von den beteiligten Gerichten bestätigt wurde, sog. "Order and Protocol".

[1] Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (9).
[2] Göpfert, ZZPInt. 1996, 269 (279).
[3] Göpfert, a.a.O.
[4] Göpfert, ZZPInt. 1996, 269 ff.
[5] Hintergrund dieser Entscheidung war aus amerikanischer Sicht die Sorge, eine aussichtsreiche Reorganisation der MCC-Töchter werde schon deswegen scheitern, weil die englischen Verwalter und das englische Management der MCC-Holding nach englischem Recht verpflichtet seien, gerade das amerikanische Vermögen im Interesse der englischen Gläubiger zu verwerten.

2. Informationspflichten, Art. 31 Abs. 1

 

Rn 7

Gemäß Art. 31 Abs. 1 sind die Verwalter von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren zum wechselseitigen Informationsaustausch verpflichtet. Diese Pflicht besteht während der gesamten Dauer des Insolvenzverfahrens.[6]

 

Rn 8

Die gegenseitige Unterrichtung der Insolvenzverwalter bezieht sich entsprechend dem Erläuternden Bericht zum EuInsÜ insbesondere auf:[7]

  • die Masse,
  • die geplanten oder eingereichten Klagen zur Wiedererlangung von Teilen der Masse, z.B. Anfechtungsklagen oder Zahlungsklagen,
  • die angemeldeten Forderungen,
  • die Überprüfung der Forderungen und ihre etwaige Anfechtung,
  • die Rangfolge der Gläubiger,
  • die geplanten Sanierungsmaßnahmen,
  • die vorgeschlagenen Vergleichsmaßnahmen,
  • die Vorschläge für die Verteilung von Konkursquoten,
  • den jeweiligen Stand des Verfahrens.
 

Rn 9

Die Informationspflichten stehen unter dem Vorbehalt des jeweiligen nationalen Datenschutzes.[8] Im Einzelfall wird man allerdings genau prüfen müssen, ob die zweckgebundene Weitergabe von Verwalterinformationen an einen anderen Verwalter den Sinn und Zweck datenschutzrechtlicher Vorschriften verletzt.[9]

[6] Kemper, ZIP 2001, 1609 (1618).
[7] Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, 32 (111).
[8] Virgos/Schmit, a.a.O.
[9] Balz, ZIP 1996, 948 (954).

3. Pflicht zur Zusammenarbeit, Art. 31 Abs. 2

 

Rn 10

Die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung wird gemäß Art. 31 Abs. 2 durch die beiderseitige Pflicht zur Zusammenarbeit ergänzt. Wie diese genau auszusehen hat, beschreibt die EuInsVO allerdings nicht...

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