Rn 36
Aus den materiellen Vergütungsparametern ergibt sich für das Vorgehen bei der Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht folgende Prüfungsreihenfolge:
- Feststellung der Insolvenzmasse nach § 1 Abs. 1 (Schlussrechnung bzw. Schätzung),
- Berechnung der maßgeblichen Masse nach § 1 Abs. 2, insbesondere Alternativberechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 für Absonderungsgegenstände, die vom Verwalter verwertet wurden,
- Berechnung der jeweiligen (ggf. alternativen) Regelvergütungen nach der Staffelung des § 2,
- Gegenüberstellung der Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 und des hälftigen Feststellungskostenbeitrags nach § 171 Abs. 1 InsO, § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG für das vom Verwalter verwertete Absonderungsgut,
- Ermittlung des zulässigen Mehrbetrags der Regelvergütung (nach oben begrenzt auf 50 % der Feststellungskostenbeiträge nach dem vorangegangenen Prüfungspunkt)
- Errechnen der endgültigen Regelvergütung,
- Vergleich der Merkmale des konkreten Verfahrens mit den Merkmalen eines fiktiven Normalverfahrens,
- Berücksichtigung der Abweichungen vom Normalverfahren und Bestimmung der einzelnen Zu- und Abschläge, die dann zu saldieren sind,
- Festsetzung der endgültigen Vergütung nebst entsprechender Begründung des Festsetzungsbeschlusses, insbesondere bei Reduzierung des Saldos im Rahmen einer vorgenommenen "Gesamtwürdigung".
Rn 37
Zur Bemessung der einzelnen Zu- und Abschläge nach § 3 innerhalb der Prüfungsreihenfolge ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Zuschläge als auch die Abschläge immer auf der Basis der Regelvergütung berechnet werden müssen. Erhält also der Verwalter einen Zuschlag von 50 % auf seine Regelvergütung z. B. nach § 3 Abs. 1 Buchst. d) und liegen gleichzeitig die Voraussetzungen für einen Vergütungsabschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. b) in Höhe von 10 % vor, so ist der Abschlag nicht von 1,5 Regelvergütungen vorzunehmen, sondern es sind – wie in der vorstehenden Prüfungsreihenfolge ausgewiesen – Zu- und Abschläge zunächst einzeln zu saldieren. Danach ist die Regelvergütung um den betreffenden Saldo zu verändern. Im vorliegenden Fall ist also von dem Zuschlag i. H. v. 50 % ein Abschlag von 10 % in Abzug zu bringen. Dies entspricht einer Abweichung von der Regelvergütung durch einen Zuschlag i. H. v. 40 %. Es ergibt sich also eine endgültige Vergütung in Höhe von 140 % der Regelvergütung nach § 2 Abs. 1. Abzulehnen ist dabei die vom BGH zugelassene Vereinfachung, wonach das Insolvenzgericht nicht jeden einzelnen Zuschlags- bzw. Abschlagstatbestand einzeln bestimmen und festsetzen müsse. Nach dieser Ansicht kann das Gericht den Zuschlag für einen an sich erfüllten Erhöhungstatbestand auch dann versagen, wenn die Gründe für einen Abschlag vom Regelsatz bei einer Gesamtbetrachtung gleichwertig erscheinen. Mit dieser "Gesamtwürdigung" ohne effektiven Begründungszwang macht der BGH die objektiven Ansätze der Vergütungsverordnung für eine vor allem nachvollziehbare Vergütungsbemessung zunichte. Eine Festsetzung nach einem freien und wegen Wegfall der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nahezu unüberprüfbaren Gesamtermessen des Gerichts, bei der alle Zu- und Abschläge in den Topf der individuellen Angemessenheit geworfen werden, sollte gerade vermieden werden. Dagegen hilft auch nicht die vom BGH geforderte erhöhte Substantiierungspflicht des Gerichts in der Begründung der Festsetzungsentscheidung, die in der Praxis wegen der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit nahezu sanktionslos vernachlässigt werden kann. Daher erscheint es sinnvoller, die einzelnen Zu- und Abschläge getrennt zu ermitteln und zu saldieren, da dies nach dem Willen des Verordnungsgebers die im konkreten Verfahren grundsätzlich angemessene Vergütung ergibt.
Rn 38
Damit das Insolvenzgericht dieser materiellen Prüfungsreihenfolge entsprechen kann, muss selbstverständlich schon der Vergütungsantrag des Verwalters in Verbindung mit der von ihm meist gleichzeitig vorgelegten Schlussrechnung die dafür notwendigen tatsächlichen substantiierten Darlegungen enthalten und die einzelnen Vergütungssachverhalte nachvollziehbar ausweisen. Das Insolvenzgericht kann naturgemäß seine Festsetzung nur auf die Umstände stützen, die vom Verwalter zur Bemessung der konkret von ihm zur Festsetzung beantragten Vergütung dargelegt und nachgewiesen werden. Es kann also den Verwaltern nur dringend empfohlen werden, ihre Vergütungsanträge ausreichend zu substantiieren und nicht lediglich pauschale Verfahrensabläufe bzw. Allgemeinplätze wie "Bauinsolvenz" wiederzugeben, ohne die mit dem konkreten Verfahren verbundenen besonderen Tätigkeitsanforderungen und Arbeitsbelastungen darzulegen. Der Sachvortrag muss geeignet sein, die Besonderheiten der Tätigkeit des Verwalters im Verfahren als Abweichungen vom sogenannten fiktiven Normalverfahren erkennen zu können und mit Einzelzuschlägen bzw. -abschlägen zu bewerten, um sodann am Ende unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelpositionen zu einer abschließenden und vor allem nachvollziehbaren sowie überprüfbaren Vergü...