Rn 13
Wie die von Haarmeyer/Wutzke/Förster erstmals 1997 durchgeführte Praxiserhebung eindrucksvoll bewiesen hat, bestand unter dem bisherigen Vergütungsrecht eine uneinheitliche, regional völlig unterschiedliche Vergütungspraxis, die in der vergütungsrechtlichen Literatur als "Glücksspiel" oder sogar "gerichtliche Willkür" bzw. "Amtsmissbrauch" bezeichnet wurde.
Diese Praxis ist um so erstaunlicher, als seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.1989 schon die bisherige Vergütungsverordnung als Berufsausübungsregelung i.S.d. Art. 12 GG anerkannt ist. Die Verordnung soll als materiell bindendes Recht sicherstellen, dass der Verwalter in Insolvenzverfahren eine angemessene Vergütung erhält, um den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG zu genügen. Die angemessene Vergütung des regelmäßig als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalts gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Berufsfreiheit, da nur dadurch die gebotene wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit erreicht werden kann, die auch nach § 56 Abs. 1 InsO wesentliches Kriterium für die Auswahl des Insolvenzverwalters ist.
Rn 14
In der Entscheidung aus dem Jahr 1989 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass dem Gericht bei der Vergütungsbemessung kein freies Ermessen zusteht, sondern dass es nach den Rahmenregelungen der Vergütungsverordnung verfassungsrechtlich geboten ist, im Wege der Korrektur der streng nach der Verordnung rein rechnerisch ermittelten Endvergütung die Besonderheiten des einzelnen Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Damit wird der zutreffenden Erkenntnis Rechnung getragen, dass es sich bei der bisherigen Vergütungsverordnung – und somit auch bei der Neuregelung in der InsVV – nicht nur um eine bloße untergesetzliche Ausführungsvorschrift oder Richtlinie von untergeordneter Bedeutung handelt, sondern um eine von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich determinierte Anspruchsnorm für die Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters. Dabei ergibt sich die Angemessenheit der jeweiligen Vergütung im konkreten Einzelfall aus der richtigen und umfassenden Anwendung bzw. Berücksichtigung der Kriterien der jeweiligen Verordnung. Eine erste Konkretisierung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze erfolgte für die InsVV durch den BGH mit seinen Entscheidungen zur Mindestvergütung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders in masselosen Kostenstundungsverfahren, die er ab 1.1.2004 unter Berücksichtigung des in diesen Verfahren erforderlichen Abwicklungsaufwands als unangemessen niedrig und damit verfassungswidrig ansieht.
Rn 15
Wegen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es notwendig, die sich mit den detaillierteren Regelungen der InsVV für die Rechtsanwender bietenden Chancen zu ergreifen, die bisher in diesem Bereich oft rechtsfreien Räume zu schließen und die anzutreffenden regionalen Zersplitterungen aufzulösen, um dadurch die Grundsätze der Vergütungsfestsetzung zu vereinheitlichen. Nur so kann die in den jeweiligen Verfahren schon unter betriebswirtschaftlichen Aspekten erforderliche Kalkulierbarkeit der entstehenden Vergütung für alle Beteiligten gewährleistet werden.