Rn 5
§ 1 Abs. 2 Satz 1 nimmt einerseits Anleihen der deutschen öffentlichen Hand und andererseits Pfandbriefe vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Für nach deutschem Recht begebene Anleihen eines anderen Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets verweist der nachträglich im Jahre 2012 eingefügte § 1 Abs. 2 Satz 2 im Wesentlichen auf die Vorschriften des Bundesschuldenwesengesetzes.
4.1 Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand
Rn 6
Aus der Formulierung, dass nicht nur Schuldverschreibungen, deren Schuldner der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde ist, sondern auch Schuldverschreibungen, für die der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde haftet, von der Anwendbarkeit ausgenommen sind, wird deutlich, dass nicht nur Anleihen, bei denen die deutsche öffentliche Hand selbst der Emittent ist, nicht dem Gesetz unterfallen. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des Gesetzes auch dann nicht eröffnet, wenn die öffentliche Hand Sicherheiten (etwa in Form von Bürgschaften) für private Anleiheschuldner stellt. Ein in letzter Zeit durchaus praxisrelevanter Fall (Stichwort: Finanzmarktstabilisierungsfonds).
Rn 7
Die Ausnahme für die Anleihen der öffentlichen Hand gründet sich auf der Überlegung des Gesetzgebers, dass für derartige Anleihen, da die Schuldner nicht insolvenzfähig sind, eine Anpassung der Anleihebedingungen während der Laufzeit dieser Schuldverschreibungen nicht notwendig ist. Dabei wird jedoch übersehen, dass das SchVG die Änderung der Anleihebedingungen nicht nur im Zuge einer bereits eingetretenen Insolvenz, sondern auch schon in deren Vorfeld (z.B. einer vorinsolvenzlichen Restrukturierung) ermöglicht.
Rn 8
Horn kritisiert m. E. ferner zu Recht die Ausklammerung der Anleihen der öffentlichen Hand aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes mit dem Argument, dass von den zwingenden Vorschriften damit vor allem die §§ 3 und 4 nicht für derartige Schuldverschreibungen gelten, obgleich auch bei diesen die Gebote der Transparenz und der Gleichbehandlung zu berücksichtigen seien. Demgegenüber sei hinnehmbar, dass das Skripturprinzip nicht zur Anwendung komme, da insoweit für öffentliche Anleihen mit dem Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz vom 12.7.2006 eine spezialgesetzliche Regelung bestehe.
4.2 Pfandbriefe
Rn 9
Der Ausschluss der Pfandbriefe aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes rechtfertigt sich nach Auffassung des Gesetzgebers vor dem Hintergrund, dass mit dem Pfandbriefgesetz ein eigenständiges Regelungswerk existiert, das besondere Abwicklungsmechanismen enthält. Da von einer Insolvenz der Pfandbriefbank die Pfandbriefgläubiger nicht betroffen sind, da die Deckungswerte nicht in die Insolvenzmasse fallen, soll für die Änderung der Anleihebedingungen eines Pfandbriefs während dessen Laufzeit durch Mehrheitsentscheidungen kein Bedürfnis bestehen. Das überzeugt nicht in Gänze. Da über das Sondervermögen der Deckungsmasse bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes ein eigenes Insolvenzverfahren auf Antrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durchzuführen ist, kann durchaus zum Zwecke der Sanierung ein Interesse daran bestehen, die Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zu ändern.
4.3 Anleihen von anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes
Rn 10
Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 gelten für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen, deren Schuldner ein anderer Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets ist, die besonderen Vorschriften der §§ 4 a–4 j und 4 k des Bundesschuldenwesengesetzes entsprechend. Die Norm wurde durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes vom 13.9.2012 eingefügt. Sie steht im Zusammenhang mit der Einführung von Umschuldungsklauseln in Emissionsbedingungen von Anleihen der Staaten des Euro-Währungsgebietes. Die Umschuldungsklauseln sollten nach dem Willen der Staaten der Eurozone eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der ab dem Jahre 2007 um sich greifenden Finanzkrise übernehmen. Deshalb verpflichtet der am 2.2.2012 von allen Staaten des Euro-Währungsgebietes unterzeichnete Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus alle Staaten des Euroraumes zur Einführung von unter bestimmten Voraussetzungen eingreifenden Umschuldungsklauseln ab dem 1.3.2013. Die rechtlichen Wirkungen der Umschuldungsklauseln müssen in allen Rechtsordnungen des Euro-Währungsgebietes gleich sein.
Für Deutschland wurden daher, um die Möglichkeit von Umschuldungsklauseln zu schaffen, die Vorschriften des Bundesschuldenwesengesetzes ergänzt (§§ 4a–4k). Um zu gewährle...