§ 20 SchVG Anfechtung von Beschlüssen
(1) 1Ein Beschluss der Gläubiger kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen durch Klage angefochten werden. 2Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen kann ein Beschluss der Gläubiger nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Gläubiger die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für sein Abstimmungsverhalten angesehen hätte. 3Die Anfechtung kann nicht auf die durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, die nach § 18 auf elektronischem Wege wahrgenommen worden sind, gestützt werden, es sei denn, dem Schuldner ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen.
(2) Zur Anfechtung ist befugt
1. |
jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen und gegen den Beschluss fristgerecht Widerspruch erklärt hat, sofern er die Schuldverschreibung vor der Bekanntmachung der Einberufung der Gläubigerversammlung oder vor der Aufforderung zur Stimmabgabe in einer Abstimmung ohne Versammlung erworben hatte; |
2. |
jeder Gläubiger, der an der Abstimmung nicht teilgenommen hat, wenn er zur Abstimmung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder wenn die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder zur Stimmabgabe nicht ordnungsgemäß aufgefordert worden ist oder wenn ein Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. |
(3) 1Die Klage ist binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Beschlusses zu erheben. Sie ist gegen den Schuldner zu richten. 2Zuständig für die Klage ist bei einem Schuldner mit Sitz im Inland ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz hat, oder mangels eines Sitzes im Inland das Landgericht Frankfurt am Main; § 246 Absatz 3 Satz 2 bis 6 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. 3Vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts darf der angefochtene Beschluss nicht vollzogen werden, es sei denn, ein Senat des dem nach Satz 3 zuständigen Gericht im zuständigen Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts stellt auf Antrag des Schuldners nach Maßgabe des § 246a des Aktiengesetzes fest, dass die Erhebung der Klage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht; § 246a Absatz 1 Satz 1 und 2, Absatz 2 und 3 Satz 1 bis 4 und 6, Absatz 4 des Aktiengesetzes gilt entsprechend.
1. Allgemeines
Rn 1
Die Vorschrift befasst sich mit den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen von der Versammlung der Anleihegläubiger gefasste Beschlüsse. Sie schafft für die Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.
Rn 2
Die Norm verfolgt zwei Ziele: zum einen möchte sie nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums (d. h. der Klagefrist) der Rechtssicherheit dienen, zum anderen gewährleistet sie aber auch den Individualrechtsschutz gegen Kollektivmaßnahmen in Form von Gläubigerbeschlüssen.
Rn 3
Das SchVG 1899 kannte eine vergleichbare Regelung über die Anfechtbarkeit von Mehrheitsbeschlüssen nicht. Ob daraus – wie der Gesetzgeber meint – folgt, dass unter Geltung des SchVG 1899 von der Gläubigerversammlung gefasste Beschlüsse nicht anfechtbar waren, ist zumindest zweifelhaft. Es ließ und lässt sich mit guten Gründen unter Hinweis auf Art. 19 GG und Art. 14 GG eine Analogie zu §§ 243 ff. AktG vertreten. An diese aktienrechtlichen Regelungen zur Anfechtungsklage ist § 20 sowohl hinsichtlich der Anfechtungsgründe (Abs. 1) als auch hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis (Abs. 2) sowie der verfahrensrechtlichen Bestimmungen angelehnt. Abs. 3 der Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes vom 13.9.2012 geändert.
2. Anfechtungsgründe
Rn 4
Zur Anfechtung von Beschlüssen der Gläubiger berechtigt die Verletzung eines Gesetzes oder der Anleihebedingungen (§ 20 Abs. 1 Satz 1).
2.1 Grundsätze
Rn 5
Gesetz im Sinn von § 20 ist jede Rechtsnorm. Es gilt der materielle Gesetzesbegriff von Art. 2 EGBGB. Ein Verstoß gegen Soll-Vorschriften begründet in der Regel ebenfalls eine Gesetzesverletzung.
Rn 6
Ein Verstoß gegen die Anleihebedingungen stellt grundsätzlich ebenfalls einen Anfechtungsgrund dar. Eine Ausnahme ist – vergleichbar wie bei § 243 AktG im Falle von Satzungsverstößen – nur bei in Gänze bedeutungslosen Verstößen gegen die Anleihebedingungen zu machen.
2.2 Einzelfälle
Rn 7
Mögliche Anwendungsbereiche für Gesetzesverletzungen bzw. Verletzungen der Anleihebedingungen sind vielschichtig. Es kommen sowohl Verstöße gegen verfahrensrechtliche als auch gegen materiellrechtliche Vorgaben in Betracht. Insoweit kann auf die zu § 243 ...