3.1 Zulässigkeit
Rn 3
Anders noch als nach dem SchVG 1899 ist im Gesetz nicht mehr vorgesehen, dass die Anleihegläubiger nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder einer Insolvenz ihre Rechte (auch nur teilweise) aufgeben dürfen. Die vormals vorhandene Beschränkung hatte zu massiver Kritik geführt, weil sie häufig erfolgversprechende Sanierungen verhinderte, indem die in Betracht kommenden Maßnahmen erst (zu) spät ergriffen werden konnten. Die neue Rechtslage knüpft für die Zulässigkeit einer Beschlussfassung nicht mehr an eine Notlage des Schuldners an. Sanierungsbemühungen können damit deutlich eher in die Wege geleitet werden, was deren Aussicht auf Erfolg deutlich erhöht. Vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt sind letztlich auch Beschlüsse der Gläubiger, die – ohne dass es überhaupt einen Sanierungsbedarf gibt – gefasst werden.
3.2 Rechtsfolge
Rn 4
Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 sind Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich. § 5 Abs. 2 Satz 1 hat nur klarstellenden Charakter, da sich die verbindliche Kraft der Mehrheitsbeschlüsse bereits aus § 4 ergibt.
Rn 5
Unverbindlich für die Anleihegläubiger sind Beschlüsse, die nichtig oder erfolgreich angefochten (vgl. § 20) worden sind. Nichtigkeit ist insbesondere grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Mehrheitsbeschluss nicht für alle Gläubiger gleiche geänderte Bedingungen vorsieht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 in dem Fall, dass die benachteiligten Gläubiger ihrer Benachteiligung ausdrücklich zustimmen. Für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands ist der Schuldner beweisbelastet.
3.3 Beschlussinhalt
3.3.1 Änderung der Anleihebedingungen
Rn 6
Die Gläubiger sind bei der Auswahl, welchen Änderungen der Anleihebedingungen sie durch Mehrheitsbeschluss zustimmen, weitestgehend frei. Sie können nach neuem Recht grundsätzlich jede Änderung beschließen.
Rn 7
Allerdings müssen sie das in § 5 Abs. 1 Satz 2 verankerte Verbot der Verschlechterung beachten. Durch diese Regelung soll sicher gestellt werden, dass die Rechtsstellung der Anleihegläubiger nicht über die sich bereits aus den §§ 5 ff. ergebenden Einschränkungen hinaus verschlechtert wird. Angesichts dessen ist es vor allem verboten, den Anleihegläubigern durch Mehrheitsbeschluss zusätzliche Leistungspflichten aufzuerlegen (§ 5 Abs. 1 Satz 3). Eine Nachschusspflicht lässt sich also auch durch Mehrheitsbeschluss nicht begründen. An einer Nachschusspflicht in diesem Sinne fehlt es allerdings dann, wenn die Gläubiger nicht zur Erbringung zusätzlicher Leistungen, sondern lediglich zur Mitwirkung verpflichtet werden (z. B. debt-to-equity swap).
Rn 8
Umgekehrt können Mehrheitsbeschlüsse ohne Weiteres eine Verbesserung der Situation der Anleihegläubiger dadurch herbeiführen, dass sie eine oder mehrere der in § 5 Abs. 3 vorgesehenen Maßnahmen einschränken oder ausschließen.
Rn 9
§ 5 Abs. 3 enthält einen Katalog von Maßnahmen, der zulässiger Gegenstand einer Beschlussfassung der Gläubiger sein kann. In der nicht abschließenden Aufzählung ("insbesondere folgende Maßnahmen") finden sich alle wesentlichen Handlungsalternativen, die für die Anleihegläubiger in einem Sanierungsszenario in Betracht kommen. Es können vor allem
- die Zinsen gestundet, verringert oder ausgeschlossen;
- die Hauptforderung gestundet;
- ein Nachrang für die Forderungen vereinbart;
- die Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile oder andere Wertpapiere/ Leistungsversprechen umgewandelt;
- Sicherheiten ausgetauscht oder freigegeben;
- die Währung der Schuldverschreibungen geändert;
- auf das Kündigungsrecht verzichtet oder dasselbe beschränkt;
- der Schuldner ersetzt oder
- Nebenbestimmungen der Schuldverschreibungen geändert bzw. aufgehoben werden.
Rn 10
Ausgeschlossen ist hiernach trotz erheblicher Ausweitung der Befugnisse insgesamt ein gänzlicher Verzicht auf die Hauptforderung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass schon die Anleihebedingungen den Gegenstand möglicher Beschlüsse der Gläubigerversammlung beschränken oder ausschließen können (§ 5 Abs. 3 Satz 2).