Rn 2
Die allgemeinen Voraussetzungen einer Betriebsänderung sind in § 111 Satz 1 BetrVG geregelt. Danach erhält eine Betriebsänderung nur bei einer Betriebsgröße von in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, betriebsverfassungsrechtliche Relevanz.
1.1 Betrieb und Betriebsgröße
Rn 3
Anknüpfungspunkt für die Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Betriebsänderungen ist nicht das Unternehmen, das rein wirtschaftliche Zwecke verfolgt, sondern der Betrieb. Der Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG wird definiert als "die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und materiellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen". Ein selbständiger Betrieb liegt immer dann vor, wenn die menschliche Arbeitskraft durch einen einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.
Rn 4
Für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung von Nebenbetrieben und Betriebsteilen gilt § 4 BetrVG.
Im Gegensatz zu Betriebsteilen sind Nebenbetriebe organisatorisch selbständige Betriebe, die unter eigener Leitung auch einen eigenen Betriebszweck verfolgen, also alle Voraussetzungen eines Betriebes erfüllen, jedoch in ihrer Aufgabenstellung meist auf Hilfeleistung für einen Hauptbetrieb ausgerichtet sind und den dort erstrebten Betriebszweck unterstützen. Anders als Betriebsteile sind Nebenbetriebe betriebsverfassungsrechtlich selbständig, es sei denn, sie beschäftigen in der Regel weniger als fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer. In diesem Fall sind sie dem Hauptbetrieb zuzuordnen (§ 4 Satz 2 BetrVG).
Betriebsteile sind nur dann als selbständige Betriebe anzusehen, sofern sie in der Regel mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer ständig beschäftigen, sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind (§ 4 Satz 1 BetrVG).
Rn 5
Bei der Berechnung der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer werden nur Arbeitnehmer im Sinne der §§ 5 Abs. 1, 6 BetrVG berücksichtigt. Leitende Angestellte gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG sind in die Berechnung ebenso wenig einzubeziehen wie auf der Grundlage eines Werkvertrags beschäftigte freie Mitarbeiter. Mitzuzählen sind demgegenüber Teilzeitbeschäftigte sowie aufgrund befristeter Verträge Beschäftigte.
Rn 6
Mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer sind in einem Betrieb beschäftigt, wenn mindestens 21 Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 BetrVG), tatsächlich in ihm arbeiten. Bei der Ermittlung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG von dem Zeitpunkt auszugehen, in dem die fraglichen Beteiligungsrechte des Betriebsrates entstehen. Allerdings ist hierfür nicht entscheidend, wie viele Arbeitnehmer dem Betrieb zufällig zu dieser Zeit angehören. Vielmehr ist auf die normale Zahl der Beschäftigen abzustellen, also auf die Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist. Dies erfordert regelmäßig sowohl einen Rückblick als auch eine Prognose. Im Fall einer Betriebsstilllegung kann allerdings nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage kommen.
Rn 7
Wie weit dieser Rückblick in die Vergangenheit zu reichen hat, hängt von den Gegebenheiten ab, die im Einzelfall die Entwicklung des Betriebs kennzeichnen. Zum einen enthält der Begriff "in der Regel" ein zeitliches Element, so dass für einen als normal anzusehenden Personalbestand eine gewisse Dauer zu fordern ist. Zum anderen hängt die Beurteilung, welche Belegschaftsstärke für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist, auch von den personalwirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers ab.
Ist beispielsweise einer Betriebsstilllegung in kurz aufeinander folgenden Schritten ein kontinuierlicher Abbau der Belegschaft unmittelbar vorangegangen, ist dieser für den Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke unbeachtlich, weil der Personalabbau lediglich als gleitender Übergang von der normalen Arbeitnehmerzahl zur völligen Stilllegung zu betrachten ist. Dient dagegen die Verminderung der Belegschaft der Rationalisierung und stabilisiert sich der Personalbestand zunächst auf niedrigerem Niveau, so ergibt sich daraus eine neue, den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke. Von dieser ist dann auszugehen, wenn die Stilllegung des Betriebs später doch noch beschlossen wird, weil die Rationalisierung fehlgeschlagen ist.
Rn 8
Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb, ist für die Frage, ob regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden und eine geplante Betriebsänderung daher nach §§ 111 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, auf die Gesamtzahl aller im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen.