1. Historische Entwicklung des deutschen Internationalen Insolvenzrechts
Rn 1
Weder die Konkurs- noch die Gesamtvollstreckungsordnung enthielten umfassende und abschließende Regelungen zum Internationalen Insolvenzrecht. Erst mit dem Inkrafttreten der InsO am 01.01.1999 wurde das deutsche autonome Internationale Insolvenzrecht, wenn auch nur lückenhaft, in den Art. 102 EGInsO a. F. geregelt. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.03.2003 wurde damals in Deutschland das Internationale Insolvenzrecht in Art. 102 EGInsO und §§ 335 ff. neu normiert: In Art. 102 §§ 1–11 EGInsO sind die deutschen Ausführungsvorschriften zur Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO a. F.) enthalten. In den §§ 335 ff. ist das deutsche autonome Internationale Insolvenzrecht geregelt.
Rn 2
Seit dem 26.06.2017 gilt eine reformierte Fassung der EuInsVO. Sie findet auf alle Insolvenzverfahren in den EU-Mitgliedstaaten (mit der Ausnahme von Dänemark und – wegen des kommenden Brexit – bald auch Großbritannien) Anwendung, deren Verfahrenseröffnung nach dem 26.06.2017 erfolgte, vgl. Art. 92 EuInsVO. Mit der Neufassung der EuInsVO hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 102c EGInsO Einführungsbestimmungen vorgesehen, die sich an den Regelungen des Art. 102 EGInsO orientieren, aber dabei die mit der Reform der neuen EuInsVO einhergehenden Änderungen und Neuerungen berücksichtigen. Hierbei hat der deutsche Gesetzgeber bei mehreren Normen den Anwendungsvorrang der EuInsVO außer Acht gelassen. Im Ergebnis ist auch eine Wiedergabe des Verordnungstextes innerhalb der EGInsO nicht zu beanstanden, gleichwohl ist dies kritisch zu sehen, denn dadurch wird die unmittelbare Wirkung des Europarechts und damit die der EuInsVO verschleiert.
2. Regelungsgegenstand des deutschen Internationalen Insolvenzrechts
Rn 3
Das Internationale Insolvenzrecht regelt Sachverhalte bei grenzüberschreitenden Insolvenzen. Klassische Beispiele für international-insolvenzrechtliche Sachverhalte sind die Belegenheit von Vermögen des Insolvenzschuldners im Ausland oder die Anmeldung einer Forderung eines im Ausland ansässigen Gläubigers. Dabei geht insbesondere das UNCITRAL Modellgesetz und auch die EuInsVO bei der Bestimmung von grenzüberschreitenden Sachverhalten davon aus, zuerst das Land zu ermitteln, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (sog. COMI, vgl. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) und im Weiteren wird dann eine Grenzüberschreitung bejaht, wenn beispielsweise Vermögen des Schuldners in einem anderen Land belegen sind. Im Einzelnen trifft das Internationale Insolvenzrecht Regelungen zu den verfahrensrechtlichen und materiell rechtlichen Wirkungen einer Verfahrenseröffnung außerhalb des Verfahrensstaates. Das deutsche Inter...