Rz. 18

Aufgrund des verfassungsrechtlichen Staatsaufbaus besteht in Bosnien und Herzegowina weder ein einheitliches materielles Erbrecht noch ein einheitliches Nachlassverfahrensrecht. Die drei Erbgesetze, die in Bosnien und Herzegowina angewendet werden (siehe Rdn 1), sind miteinander nicht harmonisiert, so dass in Bosnien und Herzegowina über drei materiell rechtliche Erbordnungen gesprochen werden kann. Dieser Umstand kann interlokale Rechtskollisionen verursachen; allerdings fehlen in BuH den Teilrechtsordnungen übergeordnete Kollisionsnormen für interlokale Gesetzeskonflikte.[33]

 

Rz. 19

In der Republik Srpska sind zwei Erbberufungsgründe vorgesehen: Gesetz und Testament, wobei das Testament gegenüber der gesetzlichen Erbfolge Vorrang genießt. Die Föderation BuH und Brčko Distrikt BuH sind die einzigen Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens, in denen auch der Erbvertrag als Berufungsgrund vorgesehen worden ist, Art. 129 ErbG FBuH, Art. 133 ErbG BD BuH. Der Erbvertrag hat gegenüber der testamentarischen und gesetzlichen Erbfolge den Vorrang. Es ist möglich, dass gleichzeitig gesetzlich und testamentarisch bzw. vertraglich berufene Erben nebeneinander erben (z.B. in dem Fall, dass durch das Testament oder durch den Erbvertrag nur über einen Teil des Vermögens verfügt wurde, oder dass ein testamentarisch berufener Erbe die Erbschaft ausschlägt usw.). Es ist auch zulässig, dass ein Erbe aufgrund verschiedener Berufungsgründe zur Erbschaft berufen wird. Das römische Prinzip "nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest" gilt daher im bosnisch-herzegowinischen Recht nicht.

[33] Näher dazu Meškić/Duraković/Alihodžić, S. 636.

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