Prof. Dr. Meliha Povlakic, Dr. Darja Softic Kadenic
Rz. 54
Bezüglich der Form unterscheidet das bosnisch-herzegowinische Recht zwischen ordentlichen und außerordentlichen Testamenten sowie zwischen privaten und öffentlichen Testamenten.
Rz. 55
Das eigenhändige Testament (holographe Testament) ist nur unter der Voraussetzung, dass es vollständig durch eigene Hand des Erblassers geschrieben und unterschrieben worden ist, gültig. In der Republika Srpska ist neben der eigenhändigen Unterschrift auch die Angabe des Datums der Testamentserrichtung Gültigkeitsvoraussetzung, während dies in der Föderation BuH und im BD BuH nicht der Fall ist und die Angabe des Datums nur als wünschenswert erachtet wird, Art. 66 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 68 Abs. 2 ErbG RS, Art. 70 ErbG BD BuH. Dieses Testament muss nicht mit vollem Namen unterschrieben werden, es genügt auch ein bekanntes Pseudonym oder eine unmissverständliche Bezeichnung des Erblassers (z.B. "Euer Vater"). Die Gültigkeit des Testaments hängt nicht davon ab, an welcher Unterlage und mit welchem Mittel das Testament geschrieben wurde (z.B. mit einer Kreide auf der Wand), solange andere Voraussetzungen erfüllt worden sind.
Rz. 56
Eine weitere Form des ordentlichen privaten Testaments ist das fremdhändige Testament unter Zuziehung zweier Zeugen (allographe Testament), bei dem ein Dritter (z.B. ein Anwalt) den Willen des Testators niederschreibt. Der Text kann in diesem Fall auch auf einem PC bzw. einer Schreibmaschine geschrieben werden. Für die Gültigkeit dieses Testaments ist es jedoch erforderlich, dass zwei geschäftsfähige Zeugen erklären, dass der Testator in ihrer Gegenwart das Schreiben unterschrieben und als sein Testament anerkannt hat, ohne dabei den Inhalt des Testaments kennen zu müssen, Art. 67 ErbG FBuH, Art. 69 ErbG RS, Art. 71 ErbG BD BuH.
Rz. 57
Als sog. öffentliche Testamente werden Testamente bezeichnet, die durch einen Richter oder einen Notar beurkundet worden sind. Das notarielle Testament als öffentliche Testamentsform besteht erst seit dem Inkrafttreten der jeweiligen neuen Erbgesetze. Bis dahin konnte der Notar nur im Rahmen der Erstellung eines allographen Testaments als einer privaten Testamentsform mitwirken. Die ErbG FBuH und ErbG BD BuH sehen für das notarielle Testament die Form der notariellen Beurkundung vor, Art. 70 ErbG FBuH, Art. 74 ErbG BD BuH. Nach der Änderung des Gesetzes im Jahre 2016 schreibt das ErbG RS das Gleiche vor. Mit den neuen Erbgesetzen ist nun das in der Praxis aufgetretene Dilemma über die Art der Mitwirkung des Notars bei der Testamentserrichtung (nur allographes Testament oder notariell beurkundetes Testament) geklärt. In der Föderation BuH und im Brčko Distrikt ist diese Frage auch hinsichtlich der vor dem Inkrafttreten der neuen Erbgesetze errichteten Testamente geklärt, da Art. 270 ErbG FBuH und Art. 274 BD BuH ausdrücklich vorsehen, dass die allographen Testamente, die vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetze in Form einer notariellen Beurkundung errichtet wurden, rechtsgültig sind.
Rz. 58
Ein ordentliches öffentliches Testament kann vor einer diplomatischen Vertretung im Ausland erstellt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmten Situationen kann dieses Testament auch durch den Kapitän eines Schiffes bzw. Flugzeuges oder einen militärischen Befehlshaber beurkundet werden, Art. 75–76 ErbG FBuH, Art. 77–78 ErbG RS, Art. 78–79 ErbG BD BuH.
Rz. 59
Das internationale Testament richtet sich nach den Vorschriften des Washingtoner Abkommens, dessen Bestimmungen in die ErbG der Entitäten und BD BuH aufgenommen wurden (siehe Rdn 8).
Rz. 60
In der Situation, in der es dem Testator aufgrund außergewöhnlicher Umstände (z.B. einer lebensbedrohlichen Lage) nicht möglich ist, ein Testament in einer der ordentlichen Testamentsformen zu errichten, kann ein Nottestament errichtet werden. Das Nottestament wird durch eine mündliche Erklärung des Erblassers in Anwesenheit zweier (FBuH und BD BuH), bzw. dreier (RS) geschäftsfähiger Zeugen errichtet. Umstritten ist, ob alle Zeugen gleichzeitig anwesend sein müssen, oder ob die sukzessive Anwesenheit innerhalb kurzer Zeit ausreicht. In der Doktrin wird dies als zulässig erachtet, unter der Voraussetzung, dass die abgegebenen Erklärungen inhaltlich gleich sind. Die Zeugen des mündlichen Testaments sollten ohne Verzögerung die Erklärungen des Testators vor einem Gericht zur Niederschrift abgeben oder in schriftlicher Form einreichen. Das Zeugenversäumnis bei der Ausübung dieser Pflicht führt aber nicht zur Nichtigkeit des Testaments, Art. 79 ErbG FBuH, Art. 81 ErbG RS, Art. 81 ErbG BD BuH. Das Nottestament hat eine zeitlich begrenzte Wirkung auf 30 Tage, nachdem die Notsituation, welche der Testator überlebt hat, nicht mehr gegeben ist.
Rz. 61
Besondere Formen von Ehegattentestamenten kennt das bosnisch-herzegowinische Recht nicht. Ein gemeinschaftliches Testament ist nicht zulässig, lediglich sollte das Verfassen zweier individueller Testamente in ein und derselben Urkunde (testamentum mere simultaneum) ohne j...