Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG unwirksam, weil die Vorschrift dem Kläger die Möglichkeit einräumt, durch Rücknahme der Klage unabhängig von der Zustimmung des Beklagten eine Entscheidung des Gerichts über die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen herbeizuführen.
2. Auch dann, wenn § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO als verfassungsgemäß angesehen werden müsste, kann eine Kostenentscheidung nach dieser Vorschrift nicht ergehen, weil ihre Voraussetzungen nicht eintreten können. Weder kann eine nicht zugestellte "Klage" zurückgenommen werden, noch existiert ein "Sach- und Streitstand", an dem die Kostenentscheidung sich orientieren könnte. Da es nicht zum Rechtsstreit gekommen ist, konnten auch "Kosten des Rechtsstreits", die zu verteilen wären, nicht entstehen.
3. Erhebt der Wettbewerber, der außer auf Unterlassung zu Unrecht auch auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen worden ist, ohne weitere Abmahnung eine negative Feststellungsklage und verzichtet der Abmahnende vor Klagezustellung auf den zuviel geltend gemachten Auskunftsanspruch, kommt eine Überwälzung der Vorbereitungskosten für die Klageerhebung auf ihn nicht in Betracht, weil er keinen Anlass zur Einreichung des Rechtsschutzgesuchs gegeben hat.
Ein Beschluss des Inhalts, dass der Kläger seine eigenen Vorbereitungskosten oder diejenigen des Abmahnenden zu tragen hat, kann mangels Rechtsgrundlage nicht ergehen.
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Cottbus (Beschluss vom 12.07.2004; Aktenzeichen 11 O 9/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Cottbus vom 12.7.2004 (11 O 9/04) aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 75 %, die Beschwerdeführerin 25 %.
Der Streitwert für die Klage wird auf bis zu 2.000 EUR, der Wert des Beschwerdeverfahrens bis zu 300 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber. Die Beschwerdeführerin hat der Klägerin ggü. einen Anspruch auf Unterlassung unlauterer Werbung mit einem Werbeflugblatt geltend gemacht und weiter Auskunft über den unter Verwendung des Flugblatts erzielten Umsatz verlangt. Die Klägerin hat daraufhin ohne weitere Abmahnung eine Klage anhängig gemacht, mit der sie Feststellung erstrebt hat, dass der Beschwerdeführerin der Auskunftsanspruch nicht zustehe. Vor Klagezustellung hat die Beschwerdeführerin auf den Auskunftsanspruch verzichtet. Die Klägerin hat den Verzicht angenommen und ihr Rechtsschutzgesuch mit Schriftsatz vom 18.2.2004 zurückgenommen. Aufgrund Verfügung des LG sind der Beschwerdeführerin die Klageschrift und der Schriftsatz vom 18.2.2004, in dem die Klägerin Auferlegung der Kosten auf die Beschwerdeführerin begehrt hat, als "Kostenantrag" zugestellt worden.
Das LG hat die "Kosten des Rechtsstreits" der Beschwerdeführerin gem. § 269 Abs. 3 Nr. 3 ZPO auferlegt. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin beantragt, unter Abänderung des Kostenbeschlusses die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die gem. § 269 Abs. 5 Nr. 1 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung des LG war ersatzlos aufzuheben. Denn es gibt für sie keine rechtliche Grundlage.
Die Kostenentscheidung kann nicht auf § 269 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gestützt werden.
Zum einen hält der Senat dafür, dass die Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG unwirksam ist. Zum anderen können ihre Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht eintreten. Endlich geht die angeordnete Rechtsfolge ins Leere.
1. Unter Verstoß gegen das aus Art. 3 GG resultierende Gebot der Gleichbehandlung räumt die Vorschrift dem Kläger die Möglichkeit ein, durch Rücknahme der Klage unabhängig von der Zustimmung des Beklagten eine Entscheidung des Gerichts über die Kostentragungspflicht "unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen" herbeizuführen. Der durch Anführungszeichen hervorgehobene Passus des § 269 Abs. 3 Nr. 3 ZPO ist § 91a ZPO nachgebildet und muss wegen der identischen Wortwahl ebenso wie diese Vorschrift ausgelegt werden. § 91a ZPO wird dahin verstanden, dass allein der bei Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen erreichte Sach- und Streitstand für die zu treffende Kostenentscheidung maßgeblich ist und eine weitere Sachaufklärung durch Beweisaufnahme zu unterbleiben hat. Bei schlüssigem Klagevorbringen und erheblicher Klageerwiderung übt das Gericht sein billiges Ermessen in der Regel ohne Rechtsfehler dahin aus, dass die Kosten wegen des offen gebliebenen Ergebnisses einer bei Fortführung des Rechtsst...