Leitsatz (amtlich)
1. Im Verhältnis zwischen dem Eil- und Hauptsacheverfahren ist es grds. unerheblich, innerhalb welchen Verfahrens die Grundlagen für die getroffene Entscheidung ermittelt worden sind.
2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, wenn die Hauptsache ohne Weiteres entscheidungsreif ist.
3. Die Unterernährung eines Kindes begründet regelmäßig und längerfristig eine Kindeswohlgefährdung durch den obhutsausübenden Elternteil.
Verfahrensgang
AG Bad Liebenwerda (Aktenzeichen 21 F 15/19) |
Tenor
1. Dem Kindesvater wird eine Frist zur Einreichung des ordnungsgemäß ausgefüllten und belegten Verfahrenskostenhilfeantrags von zwei Wochen gesetzt.
2. Es werden die nachfolgenden Hinweise erteilt.
Gründe
Es soll - vorbehaltlich der ausstehenden Begründung der Beschwerde - bereits vorsorglich in der Sache selbst Stellung genommen werden.
1. Dem Beschwerdeführer ist zwar darin zuzustimmen, dass das Verfahren hier ursprünglich als einstweiliges Anordnungsverfahren eingeleitet wurde, dann aber das Amtsgericht eine Hauptsacheentscheidung getroffen hat. Insoweit ist auch zu beachten, dass das einstweilige Anordnungsverfahren und das Hauptsacheverfahren seit der Reform des Familienverfahrensrechts (1. September 2009) eigenständige Verfahren bilden. Gleichwohl lässt sich hieraus kein Erfolg für die eingelegte Beschwerde herleiten. Es bestehen keine Bedenken daran, dass das Amtsgericht zwar die Beteiligten - formell betrachtet, wie es auch aus dem Protokoll vom 18. Juni 2019 hervorgeht - im Eilverfahren angehört, dann jedoch über die Hauptsache entschieden hat.
Im Verhältnis zwischen dem Eil- und Hauptsacheverfahren ist es grds. unerheblich, innerhalb welchen Verfahrens die Grundlagen für die getroffene Entscheidung ermittelt worden sind. Dies gilt insbesondere für die gebotenen Anhörungen. Erforderlich ist insoweit allein, dass die Anhörung und das daraus hervorgehende Ergebnis unmittelbare Grundlage der getroffenen Entscheidung ist. Es ist dann unerheblich, unter welchem Aktenzeichen bzw. in welchen konkreten Verfahren die Anhörung erfolgt ist (Brandenburgisches OLG FamRZ 2014, 784 OLG Hamm v. 14.11.2011 - 8 UF 172/11 OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1243).
2. Hinzu tritt der Umstand, dass das Amtsgericht angesichts der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2019 (jedenfalls nach seiner Ansicht) zu einer Eilentscheidung nicht mehr befugt war. Insoweit fehlte es an einem Anordnungsgrund, den die §§ 49 ff. FamFG aber für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zwingend voraussetzen.
Es mangelt auch an der notwendigen Voraussetzung eines dringenden Bedürfnisses für die einstweilige Anordnung gemäß § 49 FamFG, wenn ein derartiges Eilbedürfnis angesichts dessen, dass die Hauptsache ohne Weiteres entscheidungsreif ist, fehlt (OLG Hamm Streit 2016, 39 Brandenburgisches OLG FamRZ 2014, 784). Unter Beachtung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG ist das Gericht in solchen Fällen vielmehr gehalten, zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Position des betroffenen Kindes schnellstmöglich in der (Haupt)Sache zu entscheiden (vgl. auch OLG Hamm Streit 2016, 39).
Diese Grundsätze hat das Amtsgericht bei der hier getroffenen Entscheidung beachtet. Da das Amtsgericht die Sache umfassend aufgeklärt hatte (durch Anhörung der hier Beteiligten, insbesondere des betroffenen Sohnes und seiner Eltern), ein Verfahrensbeistand bereits bestellt und angehört war (vgl. dazu - mit Blick auf die Entscheidungsreife - Brandenburgisches OLG v. 08. August 2016 - 13 UF 94/16) und da angesichts der Auffassung des Amtsgerichtes keine weitere Ermittlungen -insbesondere nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens - geboten war, verbot sich der Erlass einer einstweiligen Anordnung. Vielmehr war das Amtsgericht tatsächlich gezwungen, die nunmehr aus seiner Sicht entscheidungsreife Hauptsache schnellstmöglich zu entscheiden, was das Amtsgericht ausdrücklich im Rahmen der angefochtenen Entscheidung getan hat. Gerade dies entspricht aber dem vom FamFG aufgestellten Beschleunigungsgrundsatz.
3. Vorsorglich sei bereits jetzt auf Folgendes hingewiesen:
Nach derzeitigem Stand stellt sich die getroffene Entscheidung auch in der Sache als zutreffend dar.
Für Kindschaftssachen gilt in besonderem Maß das Gebot effektiven Grundrechtsschutzes, vor allem wenn (auch durch einstweilige Maßnahmen) nicht oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden und diese mit einem Eingriff in ein Grundrecht verbunden sind. In kindschaftsrechtlichen Verfahren bedarf es daher bei zu treffenden Entscheidungen der besonderen Prüfung und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Gerade in Verfahren nach § 1666 BGB ist jeweils eine höhere Prüfungsdichte angezeigt. Die materiell-rechtlich notwendige hohe Prognosesicherheit im Sinn einer "ziemlichen" Sicherheit muss sich tatsächlich auch einstweilen erzielen lassen (BVerfG FamRZ 2014, 907; BGH FamRZ 2019, 598 Brandenburgisches OLG NJW 2019, 1232). Die Annahme einer solchen hinreichende...