Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Gleichartigkeit von Anrechten aus verschiedenen Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes; Absehen vom Ausgleich bei geringer Ausgleichsdifferenz oder geringem Ausgleichswert
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Anrechten bei verschiedenen Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes spricht vieles für eine Gleichartigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 VersAusglG (vgl. Breuers in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 18 VersAusglG, Rn. 59 m.w.N.).
2. Für die Anordnung der Regelfolge des § 18 Abs. 1 VersAusglG, vom Ausgleich von Anrechten mit geringer Differenz abzusehen, spricht es, wenn die Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern bestehen und diese den ihnen gesetzlich zugebilligten Schutz vor dem Verwaltungsaufwand in Anspruch nehmen, der mit dem Ausgleich gering differierender Anrechte verbunden ist.
3. Für die Anordnung der Regelfolge des § 18 Abs. 2 VersAusglG, vom Ausgleich von Anrechten mit geringem Ausgleichswert abzusehen, spricht es, wenn die Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern bestehen und diese den ihnen gesetzlich zugebilligten Schutz vor dem Verwaltungsaufwand in Anspruch nehmen, der mit dem Ausgleich geringwertiger Anrechte verbunden ist.
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 28 F 181/18) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg - Familiengericht - vom 14.08.2020 abgeändert.
Die Entscheidungsformel erhält unter der Ziffer 2. Abs. 3 und Abs. 6 folgende Fassung:
3. Der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der VBL Karlsruhe (...) unterbleibt.
6. Der Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei dem Kommunalen Versorgungsverband Brandenburg, Zusatzversorgungskasse, (...) unterbleibt.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.
Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 4.000 EUR
Gründe
1. Die Beschwerdeführer, beides Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes, wenden sich gegen den Ausgleich eines bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechts der Antragstellerin und eines bei dem Beschwerdeführer bestehenden Anrechts des Antragsgegners, die sie wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichen wissen wollen.
Nach Auskunft der Beschwerdeführerin vom 08.07.2019 besteht bei ihr ein Anrecht der Antragstellerin mit einem Ausgleichswert in Höhe von 2,44 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 709,56 EUR (vgl. 50 VA).
Nach Auskunft des Beschwerdeführers vom 16.01.2019 besteht bei ihm ein Anrecht des Antragsgegners mit einem Ausgleichswert in Höhe von 9,80 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.984,63 EUR, wobei das Anrecht im Anwendungsbereich des § 18 VersAusglG nicht ausgeglichen werden sollte (vgl. 20r VA).
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die Ehe der Antragsbeteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und dabei vorbezeichnete Anrechte intern geteilt.
Mit ihren Beschwerden erstreben die Beschwerdeführer den Wegfall des Ausgleichs der schon einzeln betrachtet geringfügigen Anrechte, die gleichartig seien und deren Differenz geringfügig im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf das im Beschwerderechtszug gewechselte Vorbringen. Er entscheidet, wie angekündigt (53), ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist.
2. Die nach §§ 58 ff, 228 FamFG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden der Beschwerdeführer haben Erfolg.
Die beschwerdegegenständlichen Anrechte werden nicht ausgeglichen, § 18 VersAusglG. Ihre Gleichartigkeit, für die hier vieles spricht (vgl. Breuers in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 18 VersAusglG, Rn. 59 m.w.N.), kann dahinstehen, da vorliegend sowohl die Ausgleichswerte beider in Betracht kommender Anrechte als auch die Differenz ihrer Ausgleichswerte die maßgeblichen Bagatellgrenzen unterschreiten.
Im vorrangig zu prüfenden § 18 Abs. 1 VersAusglG bemisst sich die Differenz der Ausgleichswerte nach deren korrespondierenden Kapitalwerten (§§ 18 Abs. 3 Fall 2, 47 VersAusglG), beträgt hier 2.275,07 EUR und unterschreitet das 1,2-fachen der zum Ende der Ehezeit im Jahre 2018 geltenden monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (3.654 EUR). Die Berechnungen der Beschwerdeführer in ihren Auskünften vom 16.01.2019 und 08.07.2019 sind nicht in Frage gestellt und lassen keine Fehler erkennen.
§ 18 Abs. 1 VersAusglG sieht als Regelfolge vor, vom Ausgleich von Anrechten mit geringer Differenz abzusehen. Gründe, von dieser Regel hier ausnahmsweise abzuweichen, sind zweitinstanzlich nicht ersichtlich. Beide Beschwerdeführer nehmen den ihnen gesetzlich zugebilligten Schutz vor dem Verwaltungsauf...