Entscheidungsstichwort (Thema)

Vaterschaftsanfechtung: Beginn der Anfechtungsfrist bei einem minderjährigen Kind. Anerkenntnis der Vaterschaft im Abstammungsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Vaterschaft vom minderjährigen Kind, das gem. § 1600 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anfechtungsberechtigt ist, angefochten, kommt es für die Einhaltung der Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an. Erlangt ein gesetzlicher Vertreter zunächst die erforderliche Kenntnis und wird er erst später auch für den Anfechtungsprozess vertretungsbefugt, weil ihm etwa die elterliche Sorge allein übertragen worden ist, so beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt, in dem die Vertretungsbefugnis gegeben ist.

2. Nach § 1600b Abs. 5 BGB beginnt die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn das Kind Kenntnis von Umständen erlangt, aufgrund deren die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, mit diesem Zeitpunkt erneut. Eine Unzumutbarkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Mutter des Kindes inzwischen mit dem wahren Erzeuger des Kindes die Ehe geschlossen hat. Soweit es die Einhaltung der Anfechtungsfrist betrifft, ist hinsichtlich der Unzumutbarkeit ebenfalls auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters, hier also die Kenntnis der Mutter des Klägers von der Eheschließung, abzustellen.

3. Im Abstammungsprozess ist die Parteiherrschaft beschränkt. Gemäß §§ 640 Abs. 1, 617 ZPO ist ein prozessuales Anerkenntnis als alleinige Entscheidungsgrundlage ebenso wie ein Anerkenntnisurteil i.S.v. § 307 ZPO nicht möglich. Die Frage, ob der Kläger vom Beklagten abstammt, ist ungeachtet der Einlassung der Parteien grundsätzlich von Amts wegen zu klären.

 

Normenkette

BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 4, § 1600b Abs. 1 S. 1, Abs. 5; ZPO §§ 307, 617, 640 Abs. 1; BGB § 1600b; ZPO § 640

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 04.09.2007; Aktenzeichen 10 F 211/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.

1. Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Phi-lippi, ZPO, 26. Aufl., § 114 Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 254) ist davon auszugehen, dass der Kläger die Anfechtungsfrist gem. § 1600b BGB nicht eingehalten hat.

a) Die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB ist nicht gewahrt.

Danach kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Wird die Vaterschaft vom minderjährigen Kind, das gem. § 1600 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anfechtungsberechtigt ist, angefochten, kommt es gem. § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an (Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., § 1600b, Rz. 6; Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1600b, Rz. 12). Erlangt ein gesetzlicher Vertreter zunächst die erforderliche Kenntnis und wird er erst später auch für den Anfechtungsprozess vertretungsbefugt, weil ihm etwa die elterliche Sorge allein übertragen worden ist, so beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt, in dem die Vertretungsbefugnis gegeben ist (OLG Celle, NJWE-FER 2000, 111; Staudinger/Rauscher, BGB, 2004, § 1600b, Rz. 38; Wellenhofer-Klein in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1600b, Rz. 24).

Die Mutter des Klägers hatte ausweislich der Darlegungen in der Klageschrift in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit ihrem jetzigen Ehemann, Herrn R. K. Vor diesem Hintergrund hatte die Mutter bereits bei der Geburt des Klägers Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft ihres damaligen Ehemannes, des Beklagten, sprechen. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter aber nicht allein sorgeberechtigt, sondern es bestand eine gemeinsame elterliche Sorge beider Elternteile. Durch Urteil des AG vom 2.4.2003 (10 F 493/00) wurde die Ehe der Mutter mit dem Beklagten geschieden und die elterliche Sorge für den minderjährigen Kläger auf die Mutter übertragen. Mit Wirksamwerden dieser Entscheidung, spätestens aber mit Rechtskraft der Sorgerechtsentscheidung am 23.5.2003 (vgl. aber auch FamVerf/Gutjahr, § 2 Rz. 181 sowie § 6 Rz. 177), wurde die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt, so dass spätestens am 23.5.2005 die Anfechtung hätte erfolgen müssen. Eine Einreichung der Anfechtungsklage am 11.6.2007, wie vorliegend, wahrt auch in Anwendung des § 167 ZPO (vgl. hierzu Erman/Holzhauer, a.a.O., § 1600b, Rz. 13) die Frist nicht mehr.

b) Auch die Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 5 BGB ist nicht gewahrt.

Nach dieser Vorschrift beginnt die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn das Kind Kenntnis von Umständen erlangt, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, mit diesem Zeitpunkt erneut. Der Gesetzgeber hat mit Rücksicht auf di...

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