Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.05.2001; Aktenzeichen (Oder) 4.10 OWi 50/01) |
Gründe
Das Arbeitsamt Frankfurt (Oder) setzte am 17. Oktober 2000 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Verletzung des Arbeitnehmerentsendegesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AEntG) in 18 Fällen eine Geldbuße von insgesamt 592.230,00 DM fest. Er soll in der Zeit von 1997 bis 2000 als Inhaber eines überwiegend im Baugewerbe tätigen inländischen Unternehmens gegenüber 9 Arbeitnehmern die in einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag festgelegten Mindestlöhne und ferner - gegenüber denselben Arbeitnehmern - die in diesem Tarifvertrag festgelegten Mindesturlaubzeiten unterschritten haben. Von diesem Vorwurf hat ihn das Amtsgericht freigesprochen; der Betroffene habe zwar den objektiven Bußgeldtatbestand erfüllt, aber in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Sachrüge erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel beigetreten und hat es soweit zurückgenommen, als das Amtsgericht den Betroffenen für Taten bis Ende 1998 freigesprochen hat.
Das - auf den Tatzeitraum ab 1. Januar 1999 beschränkte - Rechtsmittel ist begründet. Das Amtsgericht ist zu Unrecht auch für diesen Zeitraum von einer Unvermeidbarkeit des festgestellten Verbotsirrtums des Betroffenen ausgegangen.
Nach den Feststellungen war dem Betroffenen nicht bekannt, dass er an den für sein Gewerbe relevanten Tarifvertrag gebunden war; auch die Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes seien ihm nicht bekannt gewesen. Diese Feststellungen, die sich auf die Einlassung des Betroffenen stützen, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Das Amtsgericht hat indes die Anforderungen verkannt, nach denen sich bemisst, ob der festgestellte Verbotsirrtum vermeidbar oder unvermeidbar war.
Dem Betroffenen sei es - so heißt es in den Urteilsgründen im Anschluss an eine Entscheidung des Bayrischen Obersten Landesgerichts vom 13. Oktober 1999 (NStZ 2000, 148) - als Inhaber eines kleinen Baubetriebes nicht zumutbar, sich laufend über "die jeweils geltenden Vorschriften" zu unterrichten. Außerdem habe er von dem Titel des hier maßgebenden Gesetzes nicht auf die Pflicht schließen können, als inländischer Arbeitgeber bestimmte Mindestbedingungen in Arbeitsverträgen einzuhalten.
Doch auch die Inhaber kleinerer Unternehmen sind verpflichtet, sich jedenfalls über die Mindestbedingungen für Arbeitsverträge Klarheit zu verschaffen, sei es durch eigene Gesetzeslektüre, sei es - was wohl oftmals näher liegt - durch die Erkundigung bei kompetenten Stellen. In dem vorliegenden Fall kann nur nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene bis Ende 1998 die Auskunft erhalten hätte, dass er als inländischer Arbeitgeber nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes unterliege. Denn in diesem Sinne wurde das Gesetz auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (NStZ-RR 1998, 319) und - im Anschluss daran - vom Amtsgericht Frankfurt (Oder) verstanden, und zwar bis zu seiner Novellierung durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGB. I 3843), in Kraft getreten am 1. Januar 1999. Mit dieser Novellierung hat der Gesetzgeber eindeutig klargestellt, dass auch inländische Arbeitgeber Adressat des Arbeitnehmerentsendegesetzes sein können (§ 1 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 a S. 4 n.F.) und damit auch den Bußgeldtatbestand dieses Gesetzes in § 5 Abs. 1 Nr. 1 erfüllen können. (Aus Sicht des Senats bestand diese Rechtslage im übrigen seit Inkrafttreten des Arbeitnehmerentsendegesetzes, vgl. den Senatsbeschluss vom 19. Juni 2000 - 2 Ss (OWi) 78 B/00 -).
Auf Grund jener gesetzgeberischen Klarstellung ist es mithin ausgeschlossen, dass der Betroffene, wenn er sich bei einer kompetenten Stelle erkundigt hätte, für die Zeit ab 1. Januar 1999 die Auskunft erhalten hätte, als inländischer Arbeitgeber kein Adressat des Arbeitnehmerentsendegesetzes zu seien. Da er zu einer Erkundigung, wie erwähnt, verpflichtet war, war jedenfalls für diesen Zeitraum sein Verbotsirrtum vermeidbar (in diesem Sinne auch die Rechtsprechung des 1. Senats , vgl. dessen Beschluss vom 7. März 2002 - 1 Ss (OWi) 4 B/02 -).
Im Übrigen wird das Amtsgericht bei der neuen Verhandlung und Entscheidung noch Folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Der Bußgeldtatbestand setzt voraus, dass der Betroffene "überwiegend Bauleistungen" im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III erbringt (§ 1 Abs. 1 AEntG). Damit das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob das Amtsgericht diesen Gesetzesbegriff richtig ausgelegt und angewendet hat, ist es erforderlich, dass es im Einzelnen feststellt, welche Leistungen von dem Unternehmen des Betroffenen in dem relevanten Zeitraum erbracht worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2000 - 2 Ss (OWi) 125 B/00 -).
b) Der Senat sieht keinen Grund, der es rechtfertigt, wie in dem Bußgeldbescheid des Arbeitsamt...