Verfahrensgang
LG Potsdam (Aktenzeichen 13 O 193/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 13 O 193/20 - wird durch einstimmig gefassten Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird 19.737,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet und daher gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für die Klägerin günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Klage ist insgesamt unbegründet, wobei die geltend gemachte Nebenforderung das Schicksal der Hauptforderung teilt. Auf die offensichtliche Unbegründetheit des Rechtsmittels und die beabsichtigte Zurückweisung im Beschlusswege hat der Senat die Klägerin mit Beschluss vom 08.06.2022 hingewiesen.
Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.06.2022 führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch unter Berücksichtigung der neuerlichen, sehr eingehenden Ausführungen der Klägerin, die allerdings im Wesentlichen an der Argumentation des Senats vorbeigehen, ist für den Senat kein Gesichtspunkt erkennbar, der dem Rechtsmittelbegehren zum Erfolg verhelfen könnte. In der gebotenen Kürze ist auf Folgendes einzugehen:
Der Senat hält daran fest, dass der Klägerin im Jahr 2019 ein Widerspruchsrecht für die beiden streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, die sie mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 2003 abgeschlossen hatte, nicht mehr zustand.
Letztendlich kann dahinstehen, ob die Belehrungen, die der Klägerin bei Vertragsschluss, erteilt wurden, den formellen Anforderungen genügten. Jedenfalls ist der von der Klägerin Jahr 2019 erklärte Widerspruch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann selbst bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalls vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (vgl. statt vieler BGH, Beschl. vom 08.09.2021 - IV ZR 133/20, VersR 2021, 1479 Rn. 17; v. 03.06.2020 - IV ZB 9/19, NJW-RR 2020, 914 Rn. 14; v. 26.09.2018 - IV ZR 304/15, r+s 2018, 647 Rn. 23). Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter (BGH jeweils, a.a.O., jeweils m.w.N.).
Im Streitfall liegen gravierende Umstände im Sinne der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshof vor (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 13.01.2021 - IV ZR 67/20, BeckRS 2021, 222). Dies hat der Senat im Hinweisbeschluss eingehend dargetan (dort S. 5 f.). Hiermit befasst sich die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz nicht weiter.
Der (vermeintlich) unzureichende Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform nahm der Klägerin nicht die Möglichkeit, ihr Rücktrittsrecht bzw. ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch OLG Frankfurt, Urt. vom 09.03.2022 - 7 U 30/21, VersR 2022, 807). Durch die im Policenbegleitschreiben bzw. in den Versicherungsscheinen enthaltene Belehrung war die Klägerin zutreffend über das Bestehen des Widerspruchsrechts, dessen Dauer und den Fristbeginn informiert. Irreführende oder unzutreffende Zusätze enthielten die Belehrungen nicht. Solche werden auch im nachgelassenen Schriftsatz im Hinblick auf ein unzureichend belehrtes Rücktrittsrecht nicht geltend gemacht. In Anwendung der von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze, die im Hinweisbeschluss bereits dargelegt worden waren (dort S. 5), wäre es im Streitfall unverhältnismäßig, wenn der grundsätzlich zutreffend informierten Klägerin ein sog. ewiges Widerspruchsrecht zustünde (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2021 - 20 U 212/20, VersR 2021, 1081; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.2.2021 - 8 U 3888/20).
Nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.12.2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, VersR 2020, 341 = NJW 2020, 667 - Rust-Hackner), die grundsätzlich auch von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz herangezo...