Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg zu den Zivilgerichten (hier: Klage auf Grundbuchberichtigung wegen Sittenwidrigkeit der Überführung eines "Mauergrundstücks" in Volkseigentum)
Leitsatz (amtlich)
Wird mit einer auf Grundbuchberichtigung gerichteten Klage geltend gemacht, die rechtsgeschäftliche Überführung eines sog. "Mauergrundstücks" in Volkseigentum sei sittenwidrig und damit nichtig gewesen, so ist für diese Klage der Rechtsweg zu den Zivilgerichten auch dann eröffnet, wenn daneben vermögensrechtliche Ansprüche nach dem VermG in Betracht kommen.
Normenkette
GVG §§ 13, 17a; VermG § 1; BGB §§ 138, 894, 985; GG Art. 14
Verfahrensgang
LG Potsdam (Aktenzeichen 10 O 410/01) |
Tenor
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB geltend mit der Begründung, der Kaufvertrag des staatlichen Verwalters vom 27.6.1962 mit dem Rat der Gemeinde ... über das im ehemaligen sog. "Todesstreifen" gelegene Grundstück Flur 15, Flurstück 14/1, eingetragen im Grundbuch von ... Bl. 146, sei sittenwidrig und damit nichtig.
Das LG hat die Klage bereits als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin mache zwar formal einen Grundbuchberichtigungsanspruch geltend, nach der Rechtsprechung des BGH und des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Urt. v. 14.2.2002 - 5 U 107/01) könne jedoch nicht stets dann ein Grundbuchberichtigungsanspruch geltend gemacht werden, wenn zivilrechtliche Mängel im Raume stünden. Ein vermögensrechtlicher Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 1 lit. c) VermG oder § 1 Abs. 3 VermG schließe zivilrechtliche Ansprüche vielmehr dann aus, wenn das Erwerbsgeschäft zwar unter einem Mangel leide, der bei zivilrechtlicher Betrachtung jedoch in einem engen inneren Zusammenhang mit dem vom VermG tatbestandlich erfassten staatlichen Unrecht stehe. In einem solchen Fall werde ein möglicher zivilrechtlicher Grundbuchberichtigungsanspruch durch das VermG verdrängt. Auch wenn die Klägerin ein im Verwaltungsrechtsstreit nur am Rande erörtertes, dort nicht wesentliches Argument aufgreife und die grundsätzliche Sittenwidrigkeit der Sperranlagen zur Begründung des zivilrechtlichen Berichtigungsanpruches heranziehe, so liege doch der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Sachverhalt, der grundsätzlich dem VermG unterfalle. Diese Einschätzung ändere sich auch nicht dadurch, dass das BVerwG in ständiger Rechtsprechung bei einer Enteignung oder einem der drohenden Enteignung zuvorkommenden Verkauf nach § 10 VerteidigungsG-DDR in der Sache eine unlautere Machenschaft nach § 1 Abs. 3 VermG verneine, weil die Inanspruchnahme der sog. Mauergrundstücke für die Errichtung von Grenzanlagen jedenfalls nach dem damals geltenden DDR-Recht erfolgt sei. Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Wertung vermöge nämlich nichts daran zu ändern, dass dieser Problemkreis aufgrund untrennbarer Verknüpfung mit dem VermG nach dem Willen des Gesetzgebers den Verwaltungsgerichten zur Prüfung zugewiesen worden sei. Eine Verweisung des Rechtsstreits komme nicht in Betracht, weil ein solcher bereits bei den Verwaltungsgerichten anhängig sei.
Gegen das ihr am 16.6.2003 zugestellte Urteil des LG Potsdam hat die Klägerin mit am 26.6.2003 bei dem Brandenburgischen OLG eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 1.8.2003 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei eröffnet, weil sie sich auf einen zivilrechtlichen Mangel berufe, der in keinem inneren Zusammenhang mit dem vom VermG geregelten staatlichen Unrecht stehe. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 3.8.1999 (BVerfG, Beschl. v. 3.8.1999, ZOV 1999, 343) eindeutig den Weg zu den Zivilgerichten als einschlägig bezeichnet. Die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages stelle neben dem rechtsmissbräuchlichen Handeln des staatlichen Verwalters einen zivilrechtlich selbständigen Mangel dar.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, zivilrechtliche Ansprüche seien durch die vorrangigen Regelungen des VermG ausgeschlossen und der ordentliche Rechtsweg sei demgemäß nicht eröffnet.
II. 1. Aus den Gründen des Beschlusses vom 13.5.2004, auf den insoweit Bezug genommen wird, war über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Zivilgerichten vorab durch Beschluss gem. § 17a Abs. 2, 3 GVG zu entscheiden.
2. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist für den mit der Klage verfolgten Anspruch eröffnet.
Die Klägerin macht der Form nach einen rein zivilrechtlichen Anspruch, nämlich einen auf § 894 BGB gestützten Anspruch auf Grundbuchberichtigung geltend, über den grundsätzlich die Zivilgerichte zu entscheiden haben (§ 13 GVG).
Bedenken hinsichtlich des eingeschlagenen Rechtsweges können sich nach der Rechtsprechung des BGH allein aus Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich des VermG ergeben. Bereits das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Vorran...