Leitsatz (amtlich)
1. Zum Ausbildungsunterhalt bei Wechsel vom Studium der Agrarwissenschaften zu einem solchen der Journalistik
2. Ein Anspruch auf rückständigen Unterhalt beseitigt weder die unterhaltsrechtliche noch die verfahrenskostenhilferechtliche Bedürftigkeit.
Normenkette
BGB §§ 1602, 1612 Abs. 2; ZPO § 115
Verfahrensgang
AG Luckenwalde (Beschluss vom 21.09.2011; Aktenzeichen 31 F 381/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Luckenwalde vom 21.9.2011 abgeändert und der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für ihre Rechtsverfolgung in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... aus B. bewilligt.
Gründe
I. Die am ... 4.1987 geborene Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Auskunft zum Unterhalt und zur Änderung eines Unterhaltstitels. Die Eltern sind geschieden. Seit der Trennung der Eltern lebt sie im Haushalt des Vaters. Sie ist das einzige Kind der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist gemäß Urteil des Kreisgerichts Haldensleben vom 11.1.1990 - FE 158/89 - verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt für die Antragstellerin in Höhe 90 M/DDR ab dem 12. Lebensjahr bis zu ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit zu tragen. Zahlungen hierauf hat sie nicht geleistet
Zum Wintersemester 2006 begann die Antragstellerin an der ... Universität zu B. ein Studium der Agrarwissenschaften. Zum Wintersemester 2009 wechselte die Antragstellerin am 1.10.2009 die Studienrichtung und studiert seitdem an der ... Hochschule B. Journalismus. Sie bezieht keine Leistungen gemäß BaföG und verfügt über kein anderweitiges eigenes Einkommen.
Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Unterhaltsanspruch, sollte er bestehen, spätestens im September 2012 erlösche. Der Studienwechsel gehe zu Lasten der Antragstellerin. Für den maßgeblichen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 30.9.2012 könne die Antragstellerin ihren Unterhalt aus den rückständigen Unterhaltszahlungen bestreiten. Die nicht verjährten Ansprüche würden sich auf mindestens auf 6.212,70 EUR belaufen. Deshalb sei sie weder auf eine Titeländerung noch auf Verfahrenskostenhilfe angewiesen.
Gegen diesen Beschluss, der ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 14.11.2011 zugestellt worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 16.11.2011 sofortige Beschwerde eingelegt, die am 21.11.2011 bei dem AG eingegangen ist. Das AG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 6.2.2012 nicht abgeholfen und sie dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wendet, hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden.
1. Entgegen der Auffassung des AG kann dem auf Ausbildungsunterhalt gerichteten Antrag der Antragstellerin die hinreichende Erfolgsaussicht, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO, nicht abgesprochen werden, weil sie das Studienfach gewechselt hat.
Für das summarische Verfahren der Prüfung der Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist davon auszugehen, dass der Abbruch des Studiums der Agrarwissenschaften und der Wechsel zum Studium der Journalistik unterhaltsrechtlich hinzunehmen ist.
Ein Wechsel der Ausbildung ist unbedenklich, wenn er auf sachlichen Gründen beruht und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Jedem jungen Menschen ist zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Ein Wechsel kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Hier hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie zunächst beabsichtigt hatte, dass Studium der Agrarwissenschaften abzuschließen, um dann mit dem Hintergrund eines wissenschaftlichen Studiums die Journalistenschule zu besuchen. Nur weil sie eine Prüfung im Studium der Agrarwissenschaften nicht bestanden habe, sei der Wechsel vor Abschluss dieses Studiengangs erfolgt. Die hierauf basierende Ansicht der Antragstellerin, es handele sich um eine einheitliche Ausbildung zur Fachjournalistin ist im Verfahren zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht zu widerlegen; zumal eine gekoppelte Ausbildung zum Fachjournalisten im Bereich Agrarwesen nirgendwo angeboten wird. In diesem Bereich des Fachjournalismus gibt es nur die zweistufige Ausbildung (Fachstudium und Studium des Journalismus - vgl. Website des Deutschen Fachjournalistenverbandes).
2. Die Bedürftigkeit der Antragstellerin (§ 1602 Abs. 1 BGB) kann nicht mit ihrem titulierten Anspruch wegen des Unterhalts für die Vergangenheit gegen die Antragsgegnerin verneint werden.
Nach § 1602 Abs. 1 ist bedürftig, wer außerstande ist, sich sel...