Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsunterhaltsanspruch: Angemessene Studiendauer bei einem Lehramtsstudium im Drittfach
Normenkette
BGB §§ 242, 1601, 1610 Abs. 2; HRG §§ 1, § 1 ff
Verfahrensgang
AG Alzey (Beschluss vom 10.03.2015; Aktenzeichen 2 F 5/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Alzey vom 10.3.2015 wird der angefochtene Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin...[A],...[Z], ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz bewilligt.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 9.1.2015 hat die Antragstellerin für die Monate September 2014 bis einschließlich Januar 2015 rückständigen sowie darüber hinaus fortlaufenden Ausbildungsunterhalt vom Antragsgegner, ihrem Vater, verlangt. Sie studiert seit dem Wintersemester 2008/2009 an der Technischen Universität...[Y] die Lehramtsfächer Französisch und Italienisch sowie seit dem Wintersemester 2011/2012 das im so genannten Dritt- bzw. Erweiterungsfach Latein.
Der Antragsgegner stellte seine Unterhaltszahlungen mit dem Monat September 2014 ein. Er verwies die Antragstellerin darauf, dass sie nunmehr überlang studiere. Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner noch bis Ende 2012 regelmäßig über ihren Studienverlauf unterrichtet sowie insbesondere darüber, dass sie nunmehr im Drittfach Latein studiere. Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die beantragte Verfahrenskostenhilfe abgelehnt.
Ein zielstrebig begonnenes und durchgeführtes Studium wäre bereits nach 6 Semestern für den Bachelor- und weiteren 4 Semestern für den Masterabschluss abgeschlossen gewesen. Weiterer Ausbildungsunterhalt sei danach ab dem 13. Studiensemester nicht mehr geschuldet.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Drittfachstudium erhöhe ihre Berufschancen.
II. Die nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die beantragte Verfahrenskostenhilfe kann der Antragstellerin nicht mit dem Argument versagt werden, sie studiere mittlerweile überlang. Von einer erheblichen Überschreitung der üblichen Studiendauer ist regelmäßig bei mehr als 15 Semestern auszugehen, auch wenn Verzögerungen in der Examens- bzw. Prüfungsphase oder ein Auslandsaufenthalt berücksichtigt werden (Eschenbruch/Schwonberg, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013, S. 859, Rn. 729 m.w.N.). Bei einem Bachelorstudiengang beträgt die Regelstudienzeit mindestens 3, höchstens 4 Jahre; für den sich anschließenden Masterstudiengang sind höchstens 2 Jahre vorgesehen (§ 19 Abs. 2 und 3 HRG). Bachelor- und Masterstudium gelten dabei als einheitlich universitäre Ausbildung (OLG Celle, Beschluss vom 2.2.2010 - 15 WF 17/10 - mit Anmerkung = Forum Familienrecht 2010, 370 ff.). Bei konsekutivem Studium beträgt die Höchststudiendauer 5 Jahre, d.h. 10 Semester, § 19 Abs. 4 HRG.
Das den Unterhalt beanspruchende Kind muss im Rahmen eines Rechtsstreits darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es seiner Ausbildung pflichtbewusst und zielstrebig nachgeht; kommt es dieser Verpflichtung nicht nach, steht dem Unterhaltsschuldner ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf den geltend gemachten Unterhalt so lange zu, bis die entsprechenden Informationen erteilt und Nachweise vorgelegt sind (Senat, Beschluss vom 29.5.2013 - 11 WF 448/13 -; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 1067).
Wenn ein volljähriges Kind seine Eltern wegen Verzögerungen in der Ausbildung weiter auf Unterhalt in Anspruch nimmt, ist es verpflichtet, seine Eltern über die Gründe der Ausbildungsverzögerung zu informieren, denn die unterhaltspflichtigen Eltern haben nach Treu und Glauben nur solche Verzögerungen hinzunehmen, die auf ein vorübergehendes leichtes Versagen oder auf eine Krankheit zurückzuführen sind (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.1.1998 - 12 UF 21/97 -, juris, Orientierungssatz 1).
Grundsätzlich ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, dass der (die) Berechtigte die Ausbildung ernsthaft betreibt. Die Zielstrebigkeit ist Anspruchsvoraussetzung. Er (Sie) ist im Verhältnis zum Unterhaltspflichtigen gehalten, seine (ihre) Ausbildung mit dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben, damit sie innerhalb angemessener und üblicher Zeit beendet werden kann. Dabei ist ein gewisser Spielraum für die selbstständige Auswahl der angebotenen Lehrveranstaltungen zuzugestehen (OLG Köln, Urteil vom 19.8.1997 - 4 UF 42/97 -, zitiert nach juris). Studiert der (die) Anspruchsberechtigte im 15. Semester die Lehrfächer Germanistik und Italienisch und befand sich für 1 Jahr im Ausland ist noch nicht davon auszugehen, dass der Unterhaltsanspruch bereits beendet ist (OLG Köln, a.a.O.). Mehr als 15 Semester sind dann aber auch einschließlich eines Auslandssemesters für den Unterhaltsschuldner nicht mehr hinzunehmen (Eschenbruch, a.a.O. und OLG Köl...