Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ausbildungsunterhaltsanspruch, um zu ermöglichen, dass die unterhaltsbedürftige Jugendliche das angestrebte Abitur erlangen kann, besteht nur, wenn die Schulausbildung die Zeit und die Arbeitskraft der Jugendlichen zumindest überwiegend in Anspruch nimmt und die Ausbildung zügig und planvoll betrieben wird. Eine Erwerbstätigkeit im Umfang von mehr als 20 Wochenstunden kommt neben der Schulausbildung daher regelmäßig nicht in Betracht.

2. Zur Frage der Verwirkung des Ausbildungsunterhaltsanspruchs wegen Verschweigens eigener Einkünfte durch das unterhaltsfordernde, volljährige Kind.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 02.12.2013; Aktenzeichen 131 F 18223/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 2.12.2013 erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 131 F 18223/13 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wurde fristgerecht angebracht (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ZPO). Das Familiengericht hat der Antragstellerin die von dieser für die beabsichtigte Rechtsverfolgung - einen Antrag auf Leistung von Ausbildungsunterhalt gegen ihren Vater - begehrte Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht mit zutreffenden Erwägungen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht, versagt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung:

1. Von der Antragstellerin ist nicht schlüssig dargetan worden, dass das angerufene Gericht örtlich zuständig ist: Die Antragstellerin als privilegiertes, volljähriges Kind beabsichtigt, einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bei dem für den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts zuständigen Familiengericht geltend zu machen (§§ 1603 Abs. 2 Satz 2, 1610 Abs. 2 BGB, § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). In diesem Gerichtsstand kann der begehrte Unterhaltsanspruch allerdings nur verfolgt werden, soweit die sachlichen Voraussetzungen der Privilegierung nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB auch tatsächlich gegeben sind; die Antragstellerin sich also nach wie vor in der allgemeinen Schulausbildung befindet und sie im Haushalt eines Elternteils lebt (vgl. Eschenbruch/Schürmann/Menne-Roßmann, Der Unterhaltsprozess [6. Aufl. 2013], Kap. 3 Rz. 121 ff., 148; Keidel/Zimmermann, FamFG [18. Aufl. 2014], § 232 Rz. 8).

Das ist jedoch nicht dargelegt worden: Obwohl der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 5.11.2013 (Bl. 36) in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten hat (§ 138 Abs. 4 ZPO), dass die Antragstellerin noch im Haushalt ihrer Mutter lebt und das Familiengericht die Antragstellerin wiederholt, nämlich mit Schreiben vom 14.10.2013 (Bl. 32) und erneut, in dem angegriffenen Beschluss, ausdrücklich auf Bedenken im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit hinwies, erfolgte seitens der Antragstellerin keine Reaktion. Weder wurde zur Zuständigkeitsfrage ergänzend vorgetragen noch wurde, was hier nahe gelegen hätte, eine Meldebescheinigung vorgelegt, aus der sich - soweit zutreffend - eine gemeinsame Wohnanschrift von Antragstellerin und ihrer Mutter ergibt. Das Verfahrenskostenhilfegesuch wurde daher bereits unter diesem Gesichtspunkt zu Recht zurückgewiesen (vgl. nur Zöller/Geimer, ZPO [30. Aufl. 2014], § 114 Rz. 22a).

2. Auch die Voraussetzungen für den Bestand des begehrten Ausbildungsunterhaltsanspruchs und dessen Höhe sind von der Antragstellerin, nachdem der Antragsgegner einzelne Punkte bzw. Auslassungen in ihrem Vortrag ausdrücklich gerügt hat, nicht schlüssig vorgetragen worden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO [30. Aufl. 2014], § 114 Rz. 23b):

a) Es fehlt schlüssiger Vortrag zum Bestand des Ausbildungsunterhaltsanspruchs. Zwar schulden Eltern dem Kind eine seiner Begabung angemessene Ausbildung und dazu gehört ohne Zweifel, dass es dem Kind zu ermöglichen ist, über die gesetzliche Schulpflicht hinaus den Regelabschluss der jeweils besuchten allgemeinbildenden Schule zu erwerben, hier also das angestrebte Abitur als Regelabschluss der gymnasialen Oberstufe zu erlangen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB [73. Aufl. 2014], § 1603 Rz. 38, § 1610 Rz. 19). Dem steht indessen die Obliegenheit des volljährigen Kindes gegenüber, die Ausbildung planvoll und zielstrebig zu betreiben und den angestrebten Abschluss innerhalb angemessener bzw. üblicher Zeit und mit der nötigen Leistungsbereitschaft zu verfolgen. Nach der Rechtsprechung muss die Schulausbildung die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes voll oder zumindest überwiegend in Anspruch nehmen. Dies wird angenommen, sobald die Unterrichtszeit mindestens 20 Wochenstunden beträgt. Eine daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit, durch die der Schüler seinen Lebensunterhalt verdient, wird in aller Regel nicht in Betracht kommen, weil anders nicht gewährleistet ist, dass dem Schüler die für Fahrtzeiten, aber auch für die nötigen Vor- und Nacharbeiten und das Selbststudium - insbesondere bei der Vorbereitung auf die Abiturprüfung - erforderliche Zeit verbleibt und er daneben ausreichend Zeit für Erholung und Freizeit hat (vgl. BGH, Beschl. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?