Verfahrensgang
AG Lübben (Entscheidung vom 27.03.2003; Aktenzeichen 40 OWi 115/03) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Lübben vom 27. März 2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lübben zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 675 EUR fest und ordnete gegen ihn ein Fahrverbot von drei Monaten an. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene, der verkehrsrechtlich schon mehrfach in Erscheinung getreten war, am 30. August 2002 mit einem Pkw die BAB 13 in Richtung ...; zwischen den Anschlussstellen ... und ... überschritt er eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h um 71 km/h und eine weitere Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h um 80 km/h. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Sachrüge erhebt und außerdem beanstandet, der Amtsrichter habe die in dem Protokoll der Hauptverhandlung wiedergegebene Einlassung des Betroffenen, bei einem dreimonatigen Fahrverbot drohe ihm die Kündigung, in den Urteilsgründen nicht berücksichtigt und dadurch §261 StPO verletzt.
Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
1.
Die Sachrüge ist unbegründet im Sinne von §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich auf den Schuldspruch des Urteils bezieht. Die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht, hier also von § 261 StPO, bezieht sich allein auf den Rechtsfolgenausspruch.
2.
Das Urteil ist im Rechtsfolgenausspruch schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es keine Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthält. Darauf kann nur bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten verzichtet werden (§17 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz OWiG). Ab welcher Grenze nicht mehr von einer Geringfügigkeit im Sinne dieser Vorschrift gesprochen werden kann, wird in der Judikatur der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beurteilt (vgl. OLG Zweibrücken NZV 1999, 219: 500 DM; OLG Hamm NZV 2001, 177: 250 DM; OLG Düsseldorf NZV 2000, 51: 200 DM). Eine Festlegung der Grenze, die sich allein an der Höhe der Geldbuße orientiert, wäre indes nicht angebracht. Denn nach dem Gesetz ist entscheidend, ob die Ordnungswidrigkeit geringfügig ist oder nicht, wofür nicht nur die Geldbuße, sondern auch ein etwaiges Fahrverbot von Bedeutung sein kann. Angesichts einer Geldbuße von 675 EUR, die die Regelbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung um 300 EUR übersteigt (Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 des Anhangs), und eines Fahrverbotes von drei Monaten, das die gesetzliche Höchstgrenze erreicht (§ 25 Abs. 1 StVG), kann jedenfalls nicht von einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit ausgegangen werden.
3.
Die Feststellungen sind in einer weiteren Hinsicht unvollständig. Zum Fahrverbot heißt es in den Urteilsgründen:
"Gründe, die es rechtfertigen würden, vom Regelfahrverbot abzusehen, haben sich nicht ergeben. So ist die vom Betroffenen vorgetragene berufliche Situation für sich genommen nicht geeignet, darzutun, weshalb die Anordnung des Fahrverbotes für ihn eine Härte ganz außergewöhnlicher Art darstellt, die ihn mehr treffen würde, als einen vergleichbaren Verkehrsteilnehmer. Insbesondere die Erheblichkeit der Geschwindigkeitsverstöße und die Voreintragungen lassen eine Verringerung des Fahrverbotes auf zwei Monate nicht zu" (UA Seite 3).
Welche berufliche Situation gemeint ist, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Damit verschaffen sie dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die Möglichkeit, anhand der Feststellungen zu überprüfen, ob das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit richtig ausgelegt und angewendet hat. Das Urteil nennt nur das Ergebnis der Bewertung der beruflichen Situation des Betroffenen im Lichte jenes Grundsatzes, doch um diese Bewertung überprüfen zu können, ist es erforderlich, die Tatsachen wiederzugeben, auf die sie sich bezieht.
Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht darauf hingewiesen, dass aus der Tatsache, dass die Urteilsgründe zu bestimmten Beweisen schweigen, nicht geschlossen werden kann, der Tatrichter habe sie nicht gewürdigt. Dieser Grundsatz betrifft die Begründungspflicht des Tatrichters im Hinblick auf seine Beweiswürdigung. Hier hingegen geht es um die Frage, welche Feststellungen der Tatrichter in den Urteilsgründen treffen muss, damit das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob er die für die Rechtsfolgenbestimmung relevanten Rechtsnormen - hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - eingehalten hat oder nicht. Dazu reichen die zitierten Feststellungen nicht aus.
4.
Auf die Frage, ob die Verfahrensrüge - die Rüge der Verletzung des § 261 StPO - zulässig und ggf. auch begründet ist, kommt es danach nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 2568168 |
DAR 2004, 40 |