Leitsatz (amtlich)
1. Eine Holding unterliegt der Arbeitnehmermitbestimmung und dient keinen karitativen Bestimmungen, wenn in ihrer Satzung dahingehende Regelungen fehlen, dass sie selbstlos und ohne die Absicht, Gewinne zu erzielen, tätig wird, oder dass Gewinne nur bis zur Höhe der Kostendeckung erzielt werden.
2. Nimmt das selbst keinen Tendenzschutz genießende herrschende Unternehmen reine Verwaltungs- bzw. Leitungsaufgaben für seine überwiegend dem Geltungsbereich des MitbestG entzogenen und damit tendenzgeschützten Tochterunternehmen wahr, kann eine Erstreckung des Tendenzschutzes der Tochterunternehmen auf die Konzernspitze erfolgen mit der Folge, dass das MitbestG keine Anwendung findet.
3. Die Erstreckung des Tendenzschutzes von Konzerntöchtern auf eine Holding ist ausgeschlossen, wenn der Unternehmensgegenstand der Holding nach deren Satzung ganz allgemein der Erwerb und das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften und deren einheitliche Leitung ist.
Normenkette
AktG § 99; MitbestG § 1 Abs. 4, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Beschluss vom 11.04.2012; Aktenzeichen 6 AktE 1/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 11.4.2012 verkündeten Beschluss der Kammer für Handelssachen des LG Neuruppin - 6 AktE 1/10 -wird zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt in dem vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Regeln des Mitbestimmungsgesetzes nicht zu bilden sei.
Die Antragsgegnerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 7.11.2006 gegründet und wird im Handelsregister des AG Neuruppin unter der Nr. HRB. geführt. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Nr. 1 der Satzung der Erwerb, die Veräußerung und das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften sowie deren einheitliche Leitung und Koordinierung. Gegenstand ist weiterhin die Aufstellung von Wirtschaftsplänen, die Durchführung von Budgetverhandlungen sowie aller Verwaltungsaufgaben. Nach § 2 Nr. 2 der Satzung ist die Gesellschaft verpflichtet, ihre Einrichtungen so zu führen, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Förderung des Krankenhausbetriebes gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erfüllt werden. Gemäß § 2 Nr. 3 der Satzung ist die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gesellschaftszweck zu dienen geeignet sind. Regelungen hinsichtlich der Verwendung erwirtschafteter Gewinne enthält die Satzung nicht.
Organe der Gesellschaft sind nach § 7 die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung. Die Gesellschafterversammlung ist nach § 9 der Satzung u.a. für die Entscheidung über die Ergebnisverwendung zuständig. Der Aufsichtsrat setzt sich nach § 12 der Satzung bislang aus neun Mitgliedern zusammen. Dies sind neben dem Hauptverwaltungsbeamten fünf vom Kreistag vorgeschlagene Vertreter sowie drei Arbeitnehmervertreter.
Alleinige Gesellschafterin der Antragsgegnerin ist der Landkreis O.-R.. Der Antragsteller, Landrat des Landkreises O.-R., ist zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin hält jeweils 100 % des Stammkapitals der R. Kliniken gemeinnützige GmbH, der M. B. N. gemeinnützige GmbH und der O.-R. Rettungsdienste gemeinnützige GmbH. Ferner hält sie Gesellschaftsanteile an der C. N. gemeinnützige GmbH zu 52,9 %, an der P. E. GmbH zu 50 % und der H. gemeinnützige Gesellschaft für Hospiz und Palliativbetreuung GmbH zu 52 %. Die R. Kliniken gemeinnützige GmbH hält 100 % der Gesellschaftsanteile an der R. GmbH und der O. gemeinnützige GmbH sowie 94 % der Anteile an der Gesundheitszentrum N. GmbH. Die Antragsgegnerin nimmt sämtliche Verwaltungsaufgaben für die von ihr abhängigen Gesellschaften wahr. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin ist zugleich auch Geschäftsführer der übrigen Gesellschaften.
Mit Ausnahme der P. E. GmbH, der R. GmbH und der Gesundheitszentrum N. GmbH sind alle Gesellschaften, an denen die Antragsgegnerin oder ihre Tochtergesellschaften beteiligt sind, als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt. Diese Gesellschaften verfolgen nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und sind selbstlos tätig; Mittel der Gesellschaften dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Antragsgegnerin selbst ist nicht als gemeinnützig anerkannt.
Die R. Kliniken GmbH als arbeitnehmerstärkste Tochtergesellschaft im Konzern der Antragsgegnerin betreibt ein kommunales Schwerpunktkrankenhaus mit Fachpsychiatrie einschließlich Nebeneinrichtungen und Hilfsbetrieben.
Die Geschäftsführung der Antragsgegnerin ließ durch Veröffentlichung im Elektronischen Bundesanzeiger vom 25.8.2010 mit Datum der Veröffentlichung am 27.8.2010 bekannt machen, dass sie der Auffassung sei, bei der Antragsgegnerin sei ein Aufsichtsrat nach den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) zu bilden, weil der Gesamtkonzern der Antragsgegnerin me...