Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Aktenzeichen 26 C 268/09)

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 31 O 39/11)

 

Tenor

Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

 

Gründe

I.

Die Klägerin, ein Versorgungsunternehmen, nimmt die Beklagte auf die Zahlung von 754,69 EUR nebst Zinsen für die Lieferung von Erdgas in Anspruch. Die Beklagte macht geltend, dass sie Sondervertragskundin sei und daher die der Forderung zu Grunde liegenden Preiserhöhungen unwirksam seien. Im Übrigen seien sie - wie die Beklagte in der Klageerwiderung vom 04.04.2010 ausführt - auch unbillig. Sie rügt das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Fürstenwalde. Die Klägerin stützt sich auf das in § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV geregelte Preisanpassungsrecht.

Mit Verfügung vom 14.02.2011 hat das Amtsgericht Fürstenwalde die Klägerin um die Mitteilung gebeten, ob ein Verweisungsantrag gestellt wird. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 03.03.2011 zum Vorliegen der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts vorgetragen und hilfsweise die Verweisung an das Landgericht Frankfurt (Oder) - Kammer für Handelssachen - beantragt. Dazu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.03.2011 unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung Stellung genommen. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Fürstenwalde mit Beschluss vom 04.04.2011 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) verwiesen. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 01.06.2011 seinerseits für unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Senat vorgelegt.

II.

1.

Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil es für die am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist.

2.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Fürstenwalde als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, ersteres durch nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 04.04.2011 und letzteres durch den seine Zuständigkeit abschließend verneinenden Vorlagebeschluss vom 01.06.2011, der als solcher den Anforderungen genügt, die an das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rdnrn. 24 f.).

3.

Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 04.04.2011 (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-) Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und der Vermeidung von wechselseitigen (Rück-) Verweisungen ist die Willkürschwelle hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler wie das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung demzufolge grundsätzlich nicht. Hinzu kommen muss dafür vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (statt vieler: Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; MDR 2006, 1184; NJW 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink NJW 2003, 2364, 2364 f.; jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde stand:

Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist beachtet worden.

Der Verweisungsbeschluss entbehrt auch nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage.

Zwar teilt der Senat die vom Amtsgericht Fürstenwalde vertretene Rechtsauffassung, wonach sich für das streitgegenständliche Verfahren aus § 102 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte ergibt, nicht. Gemäß § 102 Abs. 1 EnWG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. Dies gilt gemäß § 102 Abs. 2 EnWG auch dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach diesem Gesetz zu treffen ist. Mit ihrer Klage macht die Klägerin Versorgungsentgelte gegenüber der Beklagten geltend, die diese bisher nicht bezahlt hat, da sie die zu Grunde liegende Pr...

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