Leitsatz (amtlich)
1. Soweit gem. § 571 Abs. 3 Satz 1 ZPO der Vorsitzende oder das Beschwerdegericht für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln eine Frist setzen kann, ist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts gemeint. Soweit im Abhilfeverfahren das erstinstanzliche Gericht eine Frist setzen möchte, geschieht dies auf der Grundlage von § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO, so dass dem Antragsteller mit der Fristsetzung konkret die verlangte Handlung aufgegeben werden muss.
2. Die sozialrechtlichen Vorschriften finden im Recht der Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe nur insoweit Anwendung, als auf sie verwiesen wird. Soweit es Kreditverbindlichkeiten betrifft, ist die Spezialvorschrift des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu beachten, wonach weitere Beträge abgesetzt werden können, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. Im Regelfall finden Verbindlichkeiten, die schon begründet wurden, bevor der Rechtsstreit absehbar war, volle Berücksichtigung.
Normenkette
ZPO §§ 115, 118
Verfahrensgang
AG Luckenwalde (Beschluss vom 28.06.2012; Aktenzeichen 31 F 229/12) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beordnung von Rechtsanwältin ... in ... ratenfrei bewilligt.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller ist Verfahrenskostenhilfe ratenfrei zu bewilligen.
Das LG hat im angefochtenen Beschluss ein einzusetzendes Einkommen von 29 EUR ermittelt und deshalb monatliche Raten von 15 EUR festgesetzt. Mit der sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht, über ein niedrigeres Einkommen, als vom AG angesetzt, zu verfügen und dass Kreditverbindlichkeiten über das vom AG angenommene Maß hinaus abzusetzen seien. Das AG hat dem Antragsteller im Abhilfeverfahren eine Ausschlussfrist von einer Woche gewährt und alsdann durch Beschluss vom 20.9.2012 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Dabei hat es insbesondere ausgeführt, der Antragsteller habe die gesetzte Ausschlussfrist nach § 571 Abs. 3 ZPO ungenutzt verstreichen lassen.
Diese Verfahrensweise des AG begegnet Bedenken. Gemäß § 571 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann der Vorsitzende oder das Beschwerdegericht für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln eine Frist setzen. Gemeint ist insoweit der Vorsitzende des Beschwerdegerichts (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 571 Rz. 7).
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 571 Abs. 3 ZPO auf Verfahren, die dem Beibringungsgrundsatz unterliegen, wie etwa sofortige Beschwerden nach §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2, 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO, zugeschnitten. Dies wird deutlich an § 571 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht innerhalb der Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen sind, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Verfahrens nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Bei dem Verfahren über die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe handelt es sich hingegen um ein Amtsverfahren. Zwar besteht insoweit eine Mitwirkungspflicht des bedürftigen Antragstellers. Kommt der Antragsteller dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, ist die Spezialvorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO anzuwenden. Danach lehnt das Gericht, wenn der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 118 Rz. 17; Verfahrenshandbuch Familiensachen -FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 47). Entsprechend muss dem Antragsteller mit der Fristsetzung konkret die verlangte Handlung aufgegeben werden. Eine alleinige Fristsetzung im Hinblick auf ergänzendes Vorbringen ohne solche konkreten Anordnungen genügt nicht.
Dementsprechend hat der Senat nun im Beschwerdeverfahren unter Anwendung von § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 90) dem Antragsteller Auflagen gemacht. Diesen ist der Antragsteller fristgemäß nachgekommen. Danach ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen nicht.
Aus der im Beschwerdeverfahren auf Anforderung des Senats vorgelegten Verdienstbescheinigung für September 2012 ergibt sich ein Bruttoeinkommen für die ersten neun Monate des Jahres 2012 von insgesamt 14.607,61 EUR. Setzt man hiervon Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ab, verbleibt ein Nettoeinkommen von 10.441,90 EUR. Das sind im Monatsdurchschnitt rund 1.160 EUR (= 10.441,90 EUR: 9 Monate). Abzusetzen sind hiervon nach den nicht angegriffenen Feststellungen des AG der Erwerbstätigenfreibetrag mit 187 EUR, der Unterhaltsfreibetrag mit 411 EUR, die Unterhaltszahlungen mit 183 EUR und Wohnkosten mit 290 EUR. Es verbleiben zunächst 89 EUR.
Darüber hinaus aber jedenfalls abzusetze...