Tenor
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts ... vom 21. April 2011 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I. Das Amtsgericht ... hat den Angeklagten am 21. April 2011 wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,- € verurteilt.
Das Amtsgericht ... hat zum Tatgeschehen im Wesentlichen folgendes festgestellt:
"Im Verlaufe der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt ... vom 22.02.2010 diskutierten die Stadtverordneten im öffentlichen Teil der Versammlung unter anderem über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen S.../G... und C... Nr. 10/2010 - Antrag auf Einsetzung eines Schulsozialarbeiters in der ...grundschule.
Der Beschluss hatte folgenden Inhalt:
"Die Stadtverordnetenversammlung beschließt:
1. Die Einsetzung eines Schulsozialarbeiters in der ...grundschule zu Beginn des Schuljahres 2010/2011.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit den Schulleitern der ...- und T...schule, dem R... als Träger von Projekten der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie gegebenenfalls weiteren Akteuren ein Konzept zur Integration von Sozialarbeit an Schulen zu erstellen, dabei soll auch einen wesentlichen Anteil in Form von besonderen Schülerprojekten eingearbeitet werden, wie zum Beispiel eine Schulhofgestaltung. Ergänzend wird die Verwaltung gebeten, weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit gegen Vandalismus im Bereich der M...stadt vorzuschlagen.
3. Der Bürgermeister wird beauftragt, den Bedarf an Schulsozialarbeit an den anderen Grundschulen der Stadt zu prüfen und der Stadtverordnetenversammlung im Laufe des Jahres ein entsprechendes Konzept zur Beschlussfassung vorzulegen."
Gegen 18.30 Uhr ergriff der Angeklagte das Wort und erklärte Folgendes:
"Wir ...demokraten werden dem zustimmen mit seinen wunderbaren Sachen. Es wäre allerdings besser, wenn man die Hauptgrundursache beseitigen wurde, nämlich die Migranten. Danke schön"
Nach der Äußerung des Angeklagten ging ein Raunen/Protest durch die Versammlung, wobei ein männlicher Teilnehmer der Versammlung dem Inhalt nach u. a. äußert: "Is doch böse muss man sich sowas antun?" Danach herrschte einen Moment lang Stille.
Die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Frau ..., ergriff das Wort, um mit der Abstimmung über den Antrag fortzufahren ("Wir kommen dann zur Abstimmung"). Hier wurde aber durch den Stadtverordneter der Partei "D...", Herrn R... ..., mit einer Wortmeldung und einem Antrag zur Geschäftsordnung unterbrochen.
"Frau ..., ich bitte entsprechend darauf hinzuweisen, dass hier volksverhetzende Aussagen in dieser Stadtverordnetenversammlung nicht geduldet werden. Migranten zu beseitigen, ist eine Aufforderung zum Mord und Totschlag und das kann ich hier nicht dulden."
Die Äußerung fand Zustimmung andere Teilnehmer der Versammlung durch Applaus.
Die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau ... appellierte daraufhin an den Angeklagten, solche Äußerungen künftig zu unterlassen. "Herr A..., ich möchte ihnen einen guten Rat geben. Nicht noch mal solche Sachen hier! Es kann nicht angehen, sie haben es jetzt gemerkt, an der Reaktion, dass man solche Kinder vielleicht ausgrenzt oder rausschmeißt oder sonst was. Ich möchte sie darauf aufmerksam machen, die nächste Sitzung und ähnliche Äußerung, dann werden wir anders verfahren."
Nach einem kurzen Applaus folgte kurze eine Pause. Hier hätte der Angeklagte nach der Reaktion der anderen Stadtverordneten und Publikums die Möglichkeit gehabt, sich zu Wort zu melden und seine Äußerungen zu erklären bzw. richtig zu stellen.
Stattdessen meldete sich Frau P... zu Wort und erklärte:
"Nach der Aussage von Herrn D... gibt es an dieser Schule keine Probleme mit Migrationskindern. Sie sind sehr fleißig und versuchen sich gut in die Gemeinschaft einzufügen."
Danach erfolgte die Beschlussfassung mit 33 Ja-Stimmen für den Antrag und 2 Enthaltungen. Anschließend ging die Stadtverordnetenversammlung zum nächsten Tagungsordnungspunkt über."
Nach Ansicht des Amtsgerichts hat sich der Angeklagte der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB schuldig gemacht, da seine Äußerung geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Seine Äußerung sei auch nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, da die Meinungsfreiheit ihre Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch § 130 StGB gehöre, finde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er begehrt seine Freisprechung. Er macht u.a. geltend, das Amtsgericht habe sich mit den Tatbestandsmerkmalen und den im § 130 Abs. 1 StGB aufgeführten Tathandlungen nicht auseinandergesetzt und nur eine "rudimentäre Subsumtion" vorgenommen. Unter anderem macht er geltend, das Tatbestandsmerkmal "Teile der Bevölkerung" im Sinne von § 130 Abs. 1 StGB setze ein...