Leitsatz (amtlich)

1. Das öffentliche Zeigen eines sich über die Breite des Rückens erstreckenden Tattoos in einem Erlebnisbad, das das Torhaus (Rampe) des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum Gegenstand hat und mit der sich ebenfalls über die Breite des Rückens erstreckenden, in Frakturschrift tätowierte Wendung "Jedem das Seine" (Inschrift am Tor zum Konzentrationslager Buchenwald) versehen ist, erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB.

2. Ist eine politisch motivierte Straftat in hohem Maße geeignet, die Sorge in der Bevölkerung über den Fortbestand des öffentlichen Friedens zu verstärken, so kann die Aussetzung einer erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung im Hinblick auf die Verteidigung der Rechtsordnung gemäß § 56 Abs. 3 StGB nur dann gewährt werden, wenn der Fall Besonderheiten aufweist, die zugunsten des Täters sprechen (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Oktober 1995, 3 Ss 9/95, in: NStZ-RR 1996, 58-59).

 

Normenkette

StGB § 130 Abs. 3, § 56 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 07.11.2016; Aktenzeichen 14 Ns 25/16)

AG Oranienburg (Aktenzeichen 18 Ds 368/15)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 7. November 2016 wird gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

Gründe

Der Senat nimmt Bezug auf die überaus sorgfältigen und zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 1. März 2017. Zu ergänzen ist auf den Anwaltsschriftsatz vom 19. März 2017 lediglich Folgendes:

1. Der Angeklagte hat sich gemäß § 130 Abs. 3 StGB wegen Volksverhetzung strafbar gemacht, indem er eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 VStGB (Völkermord) bezeichneten Art in einer Weise öffentlich billigte, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Hierzu hat das Berufungsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 21.11.2015 besuchte der Angeklagte das Erlebnisbad [...] in O.... Während seines zweistündigen Aufenthaltes im Bad war er nur mit Badeshorts bekleidet. Dabei waren die auf dem Oberkörper des Angeklagten vorhandenen Tätowierungen für jedermann sichtbar.

Eine der Tätowierungen auf dem Rücken des Angeklagten in Höhe seines Beckens zeigt den oberen Teil des Torgebäudes des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Die Darstellung zeigt den Wachturm bis zu dem hiervon nach rechts und links verlaufenden Dachbeginn. Links neben der Darstellung des Turmgebäudes ist - etwas nach unten versetzt - ein Stacheldrahtzaun abgebildet. Auf der rechten Seite des Turmgebäudes wird - ebenfalls etwas nach unten versetzt - ein Zaun mit Betonpfeilern und in gleichmäßigen Abständen waagerecht verlaufenden Drähten und einer auf einem Zaunpfeiler befindlichen Laterne dargestellt. Diese Tätowierung erstreckt sich über die gesamte Breite des Rückens. Direkt unterhalb der beschriebenen Abbildung steht in der Frakturschrift [...] eintätowiert: 'Jedem das Seine'." (Bl. 5 f. UA)

Der geschilderte Sachverhalt erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung. Sowohl bei der Tathandlung des Billigens als auch bei dem Verharmlosen und dem Leugnen handelt es sich um Äußerungsdelikte. Mit den verschiedenen Handlungsmodalitäten, die mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 in die Vorschrift des § 130 StGB eingefügt wurden, wollte der Gesetzgeber alle insoweit denkbaren Facetten agitativer Hetze wie auch verbrämter diskriminierender Missachtung erfassen und zu erwartenden Bemühungen um eine Nuancierung, Verfeinerung und Anpassung der Äußerungen an die neue Gesetzeslage vorbeugen (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000, 1 StR 502/99, in: BGHSt 46, 36, 40; BGH Urteil vom 10. April 2002, 5 StR 481/01; in: BGHSt 47, 278, 280; OLG Rostock, Beschluss vom 23. Juli 2007, 1 Ss 80/06 I 42/06, StraFo 2007, 426 unter Hinweis auf: Leutheusser-Schnarrenberger, BT-Verhandlungen 12/227, S. 19671 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Oktober 2015, 1 RVs 66/15, zit. n. juris; LK-von Bubnoff, StGB, 11. Aufl. § 130, Rdn. 46, 51; König/Seitz NStZ, 1995, 1, 3). Der Gesetzgeber wollte damit einen Beitrag zur Verhinderung rechtsextremistischer Propaganda leisten. Wegen deren gefährlicher Auswirkungen auf das politische Klima sollte die Anwendung des § 130 StGB in der Praxis erleichtert und die generalpräventive Wirkung der Strafvorschrift der Volksverhetzung erhöht werden, namentlich im Blick auf die Diffamierung und Diskriminierung jüdischer Mitbürger (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000, 1 StR 502/99, in: BGHSt 46, 36, 48; mit Hinweis auf: Gesetzentwurf BT-Drucks. 12/6853 S. 23/24; Rechtsausschussbericht BT-Drucks. 12/8588, S. 8).

Die einzelnen Tathandlungen stehen deshalb nicht völlig isoliert nebeneinander, sondern können sich regelmäßig überschnei...

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