Entscheidungsstichwort (Thema)
Volksverhetzung. Verharmlosen. U-Bahn Lied
Leitsatz (amtlich)
Das Singen des sog. U-Bahn Liedes in der Öffentlichkeit - hier im Anschluss an ein Fußballbundesligaspiel - kann den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB erfüllen.
Normenkette
StGB § 130; VStGB § 6
Verfahrensgang
AG Dortmund (Entscheidung vom 03.06.2015; Aktenzeichen 739 Ds 363/14) |
Tenor
Die Revisionen werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Angeklagten haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat die Angeklagten mit Urteil vom 3. Juni 2015 wegen Volksverhetzung jeweils zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,00 € verurteilt.
In der Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Am ##.##.2014 gegen 17:30 Uhr unmittelbar nach dem Fußballbundesligaspiel C E gegen FSV N sangen die Angeklagten, anhand der getragenen Trikots als Fans des Vereins C E erkennbar, aufgrund eines gemeinschaftlich gefassten Tatentschlusses Arm in Arm im Bereich des Vorplatzes am Nordausgang des Stadions von C E in Dortmund in der Nähe einer Gruppe N-er Fans das so genannte "U-Bahn Lied" mit dem Text "Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!". Das Singen dieses Liedes war für die umstehenden Personen deutlich hörbar."
Gegen das amtsgerichtliche Urteil haben die Angeklagten form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese mit der allgemeinen Sachrüge und der Verletzung der Vorschrift des § 261 StPO begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision der Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 3. Juni 2015 gerichteten Revisionen der Angeklagten sind zulässig, jedoch im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Die auf die jeweilige Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Insbesondere tragen die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch wegen Volksverhetzung.
1.
Entgegen den Revisionsbegründungen ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Diese ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage 2015, § 261 Rn. 3 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf sie nur auf rechtliche Fehler prüfen, nicht aber durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen (vgl. BGHSt 10, 208, 210). Die nach Ansicht der Revisionsführer falsche Würdigung der Beweise durch das Amtsgericht kann daher mit der Revision grundsätzlich nicht gerügt werden. Das Revisionsgericht hat lediglich zu überprüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d.h. frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage 2015, § 337 Rn. 26 m.w.N.). Die Überlegungen und Schlussfolgerungen des Tatrichters brauchen dabei nicht zwingend zu sein, sondern es genügt, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Der Tatrichter handelt insoweit nur dann willkürlich, wenn sich seine Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie sich letztlich als bloße Vermutungen erweisen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage 2015, § 261 Rn. 2a m.w.N.).
Gemessen an diesen Anforderungen hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Angeklagten das sogenannte "U-Bahn-Lied" gemeinsam gesungen haben. Die Feststellung, dass beide Angeklagte das U-Bahn-Lied entgegen deren Bestreiten sangen, ist insbesondere vor dem Hintergrund der von dem Amtsgericht als insoweit glaubhaft erachteten Aussage des Zeugen I nachvollziehbar. Vorliegend begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Tatrichter seine Überzeugung hinsichtlich des konkreten Wortlauts des gesungenen Liedes ("von Jerusalem bis nach Auschwitz") letztlich nur auf die Bekundungen des Zeugen M stützt, der sich im Gegensatz zu den weiteren vernommenen Zeugen nach den Urteilsfeststellungen sicher an den genauen Wortlaut des gesungenen Liedes zu erinnern vermochte.
2.
Soweit gerügt wird, in den Urteilsgründen werde die Aussage des Zeugen I ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls unzutreffend wiedergegeben, ist schon zweifelhaft, ob diese Rüge ordnungsgemäß erhoben wurde: Die Verwertung eines nicht ordnungsgemäß eingeführten Beweismittels liegt auch dann vor, wenn wie hier geltend gemacht wird, ein Beweismittel sei mit einem anderen als in den Urteilsfeststellungen wiedergegebenem Inhalt verwertet worden (vgl. KK-StPO, Ott, § 261 StPO, Rn. 79). Diese "Inbegriffsrüge" ist nur dann erfolgversprechend, wenn der Nachweis, dass die im Urteil getroffenen Fests...