Leitsatz (amtlich)
Ein Ehegatte ist auch dann zur Abgabe der Zustimmungserklärung zum begrenzten Realsplitting verpflichtet, wenn es zweifelhaft erscheint, ob steuerlich geltend gemachte Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach als Unterhaltsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt werden. Die Zustimmung ist daher auch bei Streitigkeiten über die Höhe des Unterhalts zu erteilen. Ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung in Form der Unterzeichnung des Vordrucks "Anlage U" besteht hingegen nicht.
Normenkette
BGB § 1353
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Beschluss vom 24.09.2012; Aktenzeichen 10 F 435/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das AG der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ZPO.
1. Der Antragsteller hat den geltend gemachten Anspruch auf Zustimmung der Antragsgegnerin zur Durchführung des begrenzten Realsplittings für den Veranlagungszeitraum 2009.
a) Der Anspruch auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting besteht dem Grund nach.
Unterhaltsleistungen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bis zu einem Höchstbetrag von 13.805 EUR pro Jahr einkommensmindernde Sonderausgaben, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Man spricht insoweit vom "begrenzten Realsplitting" (Wendl/Kemper, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rz. 950). Aus § 1353 BGB bzw. den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, folgt die Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, dem Antrag des Schuldners auf Durchführung des Realsplittings zuzustimmen (BGH FamRZ 2010, 717 Rz. 10; FamRZ 2005, 1162 [1163]; Wendl/Kemper, a.a.O., § 1 Rz. 958; Wendl/Gerhard, a.a.O., § 1 Rz. 1024).
b) Die Antragsgegnerin kann dem Anspruch nicht entgegenhalten, der Antragsteller habe sich nicht ausreichend zum Nachteilsausgleich verpflichtet.
aa) Die Unterhaltsleistungen stellen beim Empfänger gem. § 22 Nr. 1a EStG "sonstige Einkünfte" dar, soweit sie vom Unterhaltspflichtigen als Sonderausgaben abgesetzt werden. Sie sind zu versteuern, soweit sie allein oder zusammen mit anderen steuerpflichtigen Einkünften die Freibeträge übersteigen (Wendl/Kemper, a.a.O., § 1 Rz. 956). Insoweit entstehen bei dem Empfänger der Unterhaltsleistungen Nachteile infolge der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting. Diese finanziellen Nachteile hat der Unterhaltspflichtige grundsätzlich auszugleichen.
Die Zustimmung kann nur Zug um Zug gegen eine bindende Erklärung verlangt werden, durch die sich der Unterhaltsverpflichtete zur Freistellung des Unterhaltsberechtigten von den ihm entstehenden steuerlichen Nachteilen verpflichtet. Von einer entsprechenden Verpflichtung zum Ausgleich sonstiger Nachteile kann der Unterhaltsberechtigte seine Zustimmung nur abhängig machen, wenn er diese Nachteile im Einzelfall substantiiert darlegt (BGH NJW 1983, 1545).
Ein Ehegatte ist auch dann zur Abgabe der Zustimmungserklärung zum begrenzten Realsplitting verpflichtet, wenn es zweifelhaft erscheint, ob steuerlich geltend gemachte Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach als Unterhaltsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt werden (BGH NJW-RR 1998, 1153). Die Zustimmung ist daher auch bei Streitigkeiten über die Höhe des Unterhalts zu erteilen (Wendl/Kemper, a.a.O., § 1 Rz. 961; Wendl/Gerhard, a.a.O., § 1 Rz. 1024). Ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung in Form der Unterzeichnung des Vordrucks "Anlage U" besteht hingegen nicht. Die Zustimmung bedarf keiner besonderen Form, sondern es genügt, dass sie nachweisbar - etwa schriftlich oder zur Niederschrift des Finanzamts - erklärt wird. Denn der Unterhaltsberechtigte braucht Unterhaltsleistungen nicht in dem Umfang als empfangen zu bestätigen, in dem sie vom Unterhaltspflichtigen im Vordruck "Anlage U" angegeben werden (BGH NJW-RR 1998, 1153, 1154).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vom Antragsteller abgegebene Erklärung hinsichtlich des Nachteilsausgleichs ausreichend.
(1) Für den Antragsteller ist bereits im Anwaltsschreiben vom 20.3.2012 erklärt worden, er sichere der Antragsgegnerin zu, sie von den wirtschaftlichen Nachteilen, die ihr aus der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting für das Jahr 2009 entständen, freizustellen. Auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.3.2012 hat der Antragsteller dann erklären lassen, er sichere zu, die der Antragsgegnerin aus dem begrenzten Realsplitting resultierenden Mehrsteuern zu erstatten; soweit weitere wirtschaftliche Nachteile geltend gemacht würden, werde bis zum 25.4.2012 um Mitteilung gebeten, welche Nachteile dies seien. Da der Unterhaltsberechtigte seine Zustimmung grundsätzlich nur von ein...