Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Unterhaltsrechtsstreit zwischen zwei Staatsangehörigen der Republik Kasachstan
Leitsatz (amtlich)
Verklagt ein in der Republik Kasachstan lebendes minderjähriges Kind seinen nach Deutschland verzogenen Vater, der ebenfalls Staatsangehöriger der Republik Kasachstan ist, ist mit Rücksicht auf den aktuellen Wohnsitz des Vaters die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. Es findet jedoch das materielle Unterhaltsrecht der Republik Kasachstan Anwendung.
Normenkette
EGBGB Art. 18
Verfahrensgang
AG Perleberg (Beschluss vom 18.11.2005; Aktenzeichen 16a F 105/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen dazu zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen, § 114 ZPO. Bislang liegt lediglich eine Erklärung der Mutter des Klägers über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 11.3.2005 vor. Das AG wird den Kläger auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen vorzulegen, ferner eine solche aktuelle Erklärung seiner Mutter nebst Belegen. Dabei wird zu prüfen sein, ob nach dem Recht der Republik Kasachstan überhaupt ein Anspruch des Klägers auf Prozesskostenvorschuss gegenüber seiner Mutter in Betracht kommt (vgl. zu der Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen nicht in Deutschland lebenden Ausländer auch Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 5, m.w.N.). Denn nur dann käme es unter Umständen auch auf Einkommen und Vermögen der Mutter an. Unter Berücksichtigung der vorzulegenden aktuellen Erklärungen wird das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben sind.
Zu Unrecht hatte das AG dem Begehren des Klägers die hinreichende Aussicht auf Erfolg abgesprochen, § 114 ZPO. Das AG hat sich auf die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB gestützt, wonach das am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende Recht anzuwenden sei, hier also das Recht der Republik Kasachstan. Der Entscheidung des AG ist zu entnehmen, dass es davon ausgeht, der Kläger sei in der Lage, in Kasachstan einen Unterhaltstitel zu erwirken, den er ggf. gegen den in Deutschland lebenden Beklagten vollstrecken könne. Wenn dies so zu verstehen sein sollte, dass das AG seine internationale Zuständigkeit verneint, so hätte das AG übersehen, dass die Beantwortung der Frage, welchem Unterhaltsstatut der Rechtsstreit unterliegt, ob also das materielle Unterhaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland oder der Republik Kasachstan Anwendung findet, nicht notwendig durchschlägt auf die Frage, ob deutsche Gerichte international zuständig sind oder nicht.
Die Frage, welche internationale Zuständigkeit bei einem Unterhaltsrechtsstreit mit Auslandsberührung gegeben ist, bestimmt sich vorrangig nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - EuGVVO - (ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1, abgedruckt bei Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., S. 2698 ff.). Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO (abgedruckt bei Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., S. 2706) sind vorbehaltlich der Vorschriften der Verordnung Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaates zu verklagen, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger einem Mitgliedsstaat angehört (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., S. 2707 Rz. 13). Da andererseits Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (abgedruckt bei Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., S. 2711) vorsieht, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden kann, wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt, vor dem Ort des Gerichts, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nach beiden Vorschriften also vorrangig auf den Wohnsitz im Mitgliedsstaat abgestellt wird, ist in Unterhaltsstreitigkeiten die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bereits dann gegeben, wenn entweder der Unterhaltspflichtige oder der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat (vgl. Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht - KK-FamR-/Rausch, 2. Aufl., Art. 18 EGBGB, Rz....