Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung im Umgangsverfahren: Unverzüglichkeit - Dauer der Überlegungsfrist - Anforderungen an dienstliche Äußerung
Leitsatz (amtlich)
1. Die seit dem 1. Januar 2020 geltende Regelung des § 44 Abs. 4 S 2 ZPO ist auch in laufenden Verfahren anzuwenden und ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 12 UF 27/19 -, Rn. 5 m.w.N.).
2. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ablehnungsgesuche unverzüglich, das heißt ohne prozesswidriges Verzögern, nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden (vgl. Bt.-Drs. 19/13828, S. 17). In Ansehung der damit bezweckten Vermeidung von Verfahrensverschleppungen ist an die Auslegung dieses Begriffes ein strenger Maßstab anzulegen. Unter Einbeziehung eines subjektives Momentes bei den Verfahrensbeteiligten ist das Ablehnungsgesuch nicht mehr unverzüglich, nämlich nicht mehr "ohne schuldhafte Verzögerung", wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war.
3. Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und kann sich bei komplexeren Sachlagen durchaus auf mehrere Tage erstrecken, ähnlich wie bei anderen unverzüglichen verfahrensrechtlichen Handlungspflichten, wie z.B. in § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Schultzky, MDR 2020, 1, 3), oder nach Bekanntgabe einer die Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung im Wiedereinsetzungsverfahren, in dem der Partei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH noch eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung verbleibt, welche prozessualen Konsequenzen sie ziehen will (BeckOK ZPO/Wendtland, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 234 Rn. 9).
4. Zu den Anforderungen an eine dienstliche Äußerung (§ 44 Abs. 3 ZPO) im Ablehnungsverfahren.
Verfahrensgang
AG Zossen (Aktenzeichen 6 F 2/18) |
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers vom 19.06.2020 gegen die Richterin am Oberlandesgericht Krüger-Velthusen wird als unzulässig verworfen.
Gründe
1. Der Beschwerdeführer hat in einer Umgangssache nach einer Akteneinsicht am 08.06.2020 im Anhörungstermin am 19.06.2020 mit einem taggleich datierten 9-seitigen Schreiben die zur Sitzgruppe zählende Richterin am Oberlandesgericht Krüger-Velthusen als befangen abgelehnt (702 ff). Seine Besorgnis der Befangenheit leitet er zuletzt unter Beanstandung einer unzureichenden dienstlichen Äußerung im Wesentlichen aus der fehlenden Bekanntgabe der ladungsfähigen Anschrift eines Verfahrensbeistandes her und aus dem Absehen von einer Kindesanhörung.
2. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 19.06.2020 ist unzulässig.
Gemäß § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch unverzüglich anzubringen.
Die seit dem 1. Januar 2020 geltende Regelung ist auch in laufenden Verfahren anzuwenden und ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 12 UF 27/19 -, Rn. 5 m.w.N.).
Der Antragsteller hat sein Ablehnungsgesuch nicht unverzüglich im Sinne der Vorschrift angebracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ablehnungsgesuche unverzüglich, das heißt ohne prozesswidriges Verzögern, nach Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes geltend gemacht werden (vgl. Bt.-Drs. 19/13828, S. 17). In Ansehung der damit bezweckten Vermeidung von Verfahrensverschleppungen ist an die Auslegung dieses Begriffes ein strenger Maßstab anzulegen. Unter Einbeziehung eines subjektives Momentes bei den Verfahrensbeteiligten ist das Ablehnungsgesuch nicht mehr unverzüglich, nämlich nicht mehr "ohne schuldhafte Verzögerung", wenn der Beteiligte nach Ablauf einer ihm zuzubilligenden Überlegungsfrist mit dem Gesuch zuwartet, obwohl bei verspäteter Antragstellung eine unnötige Verfahrensverzögerung für ihn erkennbar und vermeidbar war.
Die Dauer der zuzubilligenden Überlegungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und kann sich bei komplexeren Sachlagen durchaus auf mehrere Tage erstrecken, ähnlich wie bei anderen unverzüglichen verfahrensrechtlichen Handlungspflichten, wie z.B. in § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Schultzky, MDR 2020, 1, 3), oder nach Bekanntgabe einer die Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung im Wiedereinsetzungsverfahren, in dem der Partei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH noch eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung verbleibt, welche prozessualen Konsequenzen sie ziehen will (BeckOK ZPO/Wendtland, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 234 Rn. 9).
Hiernach hat der Antragsteller sein Ablehnungsgesuch nicht rechtzeitig angebracht. Er hat das Verfahren prozesswidrig verzögert. Der Antragsteller hat nicht nur wenige Tage, sondern bis zum Terminstag zugewartet und sein Ablehnungsgesuch erst in dem zum 19.06.2020 um 10.00 Uhr anberaumten Term...