Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung des Kindergeldes

 

Normenkette

BGB § 1612b Abs. 5; EMRK Art. 8 Abs. 1; GG Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 3, 6

 

Verfahrensgang

AG Guben (Aktenzeichen 30 FH 10/00)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.620 DM.

 

Gründe

Die gem. § 652 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Bedenken des Beschwerdeführers gründen sich darauf, dass er hinsichtlich der in § 1612b Abs. 5 BGB getroffenen Regelung zur Anrechnung von Kindergeld eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK sieht und die Vorschrift aus diesem Grunde für verfassungswidrig hält. Der Senat teilt diese Bedenken nicht.

Die Zahlung des Kindergeldes beruht auf der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs gem. den §§ 31 ff., 64 ff. EStG. Sinn und Zweck dieser Neuregelung liegen im Wesentlichen in der steuerrechtlichen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes, dem auch das Kindergeld vorrangig dient (vgl. § 31 S. 1 EStG). Das monatlich gezahlte Kindergeld ist danach charakterisiert als eine Steuervergütung bzw. Steuerrückvergütung (s. auch § 31 S. 3 EStG). Es stellt so betrachtet eine Vorausleistung auf die einkommensteuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag, die bei Nichtzahlung von Kindergeld ansonsten im Lohnsteuerjahresausgleich bzw. bei der Steuerveranlagung gewährleistet würde, dar.

Subsidiär zu dieser Funktion als Steuervergütung soll das Kindergeld auch der Familienförderung dienen (sog. Doppelfunktion des Kindergeldes). Übersteigt etwa das Kindergeld den Wert der steuerlichen Entlastung durch den Kinderfreibetrag, so verbleibt der überschießende Betrag dem Berechtigten als Leistung der allgemeinen Familienförderung (§ 31 S. 2 EStG), d.h. insoweit liegt eine staatliche Sozialleistung vor. Deutlich wird dies für untere Einkommensgruppen, die nur in geringem oder gar keinem Umfang steuerlich belastet sind. Liegt das zu versteuernde Jahreseinkommen unterhalb eines Betrages von etwa 17.000 DM nach der Grundtabelle bzw. von etwa 27.000 DM nach der Splittingtabelle, so hat der Kinderfreibetrag keine Auswirkungen auf die Einkommensteuerschuld und stellt damit das gezahlte Kindergeld auch keine Einkommensteuerrückvergütung dar; in diesen Fällen ist das Kindergeld vielmehr reine Sozialleistung. Umgekehrt sinkt dieser sozialstaatliche Zweck bei steigenden Einkommen ab, wobei sich in gleichem Verhältnis der originäre Zweck der Steuerrückvergütung verstärkt (zum Ganzen eingehend Schwonberg, JAmt 2001, 309 [311 f.]; siehe auch Graba, Zur Neuregelung der Kindergeldanrechnung, NJW 2001, 249 [252]).

Danach ist festzustellen, dass es sich bei dem Kindergeld um unterhaltsrechtliches Einkommen handelt. Zwar hat dieses Einkommen keine Auswirkung bei der Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten, da die mit dem Familienlastenausgleich verbundene Zweckbestimmung des Kindergeldes (Erleichterung der Unterhaltslast der Eltern) sonst in ihr Gegenteil verkehrt werden würde. Zur Deckung des ohne Berücksichtigung des Kindergeldes errechneten Bedarfes des Kindes, insbesondere des Mindestbedarfes des Kindes, ist das Kindergeld jedoch einzusetzen; es handelt sich insoweit um Einkommen (zuletzt BGH v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, FamRZ 1997, 806 [810]; siehe auch Schwonberg, JAmt 2001, 309 [312 f.] sowie Graba, Zur Neuregelung der Kindergeldanrechnung, NJW 2001, 249 [252]; ferner Wohlgemuth, Mindestunterhalt und Dynamisierung des Kindergeldanteils, FuR 2001, 390 [391]), welches die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners erhöht. Hieran bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil die Hauptfunktion des Kindergeldes gerade in der vorausgezahlten Steuerrückerstattung zu sehen ist und jedenfalls im Rahmen der Leistungsfähigkeit an der Berücksichtigung von Steuervergütungen als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen keine Bedenken bestehen.

Stellt sich jedoch hiernach das Kindergeld als unterhaltsrechtliches Einkommen dar, bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken an seinem Einsatz zur Deckung des Mindestbedarfes des Kindes gem. § 1612b Abs. 5 BGB.

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht erkennbar ist.

Der Wille des Gesetzgebers war es, mit der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB das Existenzminimum des Kindes zu sichern (BT-Drucks. 14/3781, 8). Die Zahlung des Kindergeldes ist keine wert- und zielfreie Subvention von Eltern. Der Staat hat aus dem Grundgesetz den Auftrag, das Existenzminimum im Interesse des Kindes steuerlich freizustellen, aber auch, das Existenzminimum für das Kind überhaupt sicherzustellen (vgl. auch BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, FamRZ 1999, 291; i.Ü. Heger, Die Änderung des § 1612b Abs. 5 BGB – Schlussstein oder Neubeginn, FamRZ 2001, 1412). Die Grenze der Anrechenbarkeit des staatliche...

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