Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Adressat des Aufhebungsbeschlusses nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Instanzende ist die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO und der Aufhebungsbeschluss nach § 124 ZPO an die Partei und nicht an den erstinstanzlich bestellten Rechtsanwalt zuzustellen, es sei denn, der Rechtsanwalt hat sich für das Abänderungsverfahren bestellt (im Anschluss an OLG Koblenz, Beschl. v. 9.2.2009 - 13 WF 90/09; OLG Celle, 13. Zivilsenat, Beschl. v. 2.9.2010 - 13 W 82/10).

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 S. 2, §§ 124, 172 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Beschluss vom 28.04.2010; Aktenzeichen 52 F 193/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Neuruppin vom 28.4.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragstellerin wurde mit Beschluss vom 11.10.2006 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Das Verfahren fand mit Beschluss vom 5.12.2007 des AG Neuruppin seine Beendigung.

Zunächst mit Schreiben vom 18.2.2010 und sodann nochmals mit Schreiben vom 24.3.2010 forderte die Rechtspflegerin des AG Neuruppin die bisherigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO ergebnislos auf, sich über die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mandantin zu erklären.

Da Erklärungen weder der Antragstellerin noch ihrer Prozessbevollmächtigten erfolgten, wurde die zuvor bewilligte Prozesskostenhilfe durch Beschluss des AG Neuruppin vom 27.4.2010 aufgehoben.

Dieser Beschluss wurde sowohl den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin unter dem 30.4.2010 als auch der Antragstellerin selbst unter diesem Datum zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14.5.2010 legten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe aufhebenden Beschluss ein. Mit der Beschwerdebegründung rügten sie, dass die Aufforderung im Rahmen des § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht an die Antragstellerin selbst zugestellt worden sei, zumal sie selbst hierfür nicht bevollmächtigt seien.

Nach Eingang der Beschwerde wurde sowohl der Antragstellerin selbst als auch den Prozessbevollmächtigten unter Bezugnahme auf die sofortige Beschwerde vom 14.5.2010 aufgegeben, ergänzend folgende Unterlagen der Antragstellerin in Fotokopie vorzulegen:

  • aktueller Grundsicherungsbescheid (ALG II-Bescheid),
  • Giro- und soweit vorhanden Sparkontoauszug mit Saldo vom 14.5.2010.

Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin baten mit Schriftsatz vom 10.6.2010 um weitere Fristverlängerung, um die angeforderten Unterlagen der Antragstellerin einreichen zu können.

Nachdem keine weiteren Unterlagen beim AG eingegangen waren, hat das Gericht mit Beschluss vom 9.7.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Frage, ob die Zustellung des die Prozesskostenhilfe widerrufenden Beschlusses nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache an die Partei persönlich oder an ihren früheren Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2008, 404 ff.; OLG Köln, FamRZ 2007, 908; OLG Hamm OLGReport Hamm 2009, 297 f.; OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2009, 377; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.6.2010 - 15 WF 198/10 - zitiert nach Juris; Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rz. 28; andere Ansicht: BAG-Beschl. v. 19.7.2006 - 3 AZB 18/06, zitiert nach Juris, Tz. 8; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1426; MünchKomm/ZPO/Heublein, 3. Aufl., § 172 Rz. 19).

Nach Ansicht des Senats ist nach Instanzende die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO und der Aufhebungsbeschluss nach § 124 ZPO an die Partei und nicht an den erstinstanzlich bestellten Rechtsanwalt zuzustellen, es sei denn, der Rechtsanwalt hat sich für das Abänderungsverfahren bestellt (OLG Koblenz, Beschl. v. 9.2.2009 - 13 WF 90/09; OLG Celle, 13. Zivilsenat, Beschl. v. 2.9.2010 - 13 W 82/10 -, zitiert nach Juris).

Nach § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten nur in einem anhängigen Verfahren zu erfolgen. Dieses findet mit der formellen Rechtskraft der abschließenden Entscheidung seinen Abschluss. Das Prozesskostenhilfeaufhebungsverfahren, das erst nach Beendigung des Rechtsstreites eingeleitet wird, ist nicht das Hauptsacheverfahren, auch nicht ein Teil desselben. Es ist auch mit keinem der anderen Verfahren, die in § 172 Abs. 1 S. 2 ZPO genannt werden, vergleichbar, weil es als reines Verwaltungsverfahren keinen Bezug zum materiell-rechtlichen Streit in der Hauptsache hat (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O.). Das Nachprüfungsverfahren nach §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO ist ein völlig neues und anderes Verfahren, für das eine neue Bevollmächtigung notwendig wäre.

Hier hatte bis zum Widerruf der Prozesskostenhilfe offenbar eine neue Bevollmächtigung der ehemaligen Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin nicht stattgefunden. Nachdem auch d...

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