Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verwirkung titulierter Unterhaltsansprüche
Leitsatz (amtlich)
1. An die besonderen Umstände, auf Grund derer der Unterhaltsschuldner sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsgläubiger sein Recht nicht mehr durchsetzen werde, sind strenge Maßstäbe anzulegen, wenn die Verwirkung titulierter Ansprüche in Frage steht (OLG Stuttgart FamRZ 1999, 859).
2. Verspricht die Vollstreckung eines titulierten Anspruches keinen Erfolg, weil der Schuldner über pfändbares Einkommen nicht verfügt, muss das Umstandsmoment und damit die Verwirkung in aller Regel verneint werden.
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 08.02.2012; Aktenzeichen 20 F 123/10) |
Tenor
Dem Antragsteller wird in Bezug auf die Fristen zur Beschwerde gegen den Beschluss des AG Nauen vom 8.2.2012 und zur Begründung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Nauen vom 8.2.2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten seines Rechtmittels.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 17.209,67 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollstreckung aus einer Jugendamtsurkunde, mit der er die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt übernommen hat.
I.1. Die Antragsgegnerin ist die 1991 geborene Tochter des Antragstellers. Der Antragsteller verpflichtete sich mit einer Jugendamtsurkunde vom 19.9.1996, der Antragsgegnerin monatlich Kindesunterhalt zu zahlen. Zum Inhalt der Urkunde wird auf die Anlage K 1 (Bl. 7) Bezug genommen.
Der Antragsteller und die Mutter der Antragsgegnerin lebten bis Mai 1997 zusammen. Kurz darauf erteilte der Antragsteller auf Verlangen des Jugendamtes im Verfahren zur Gewährung von Unterhaltsvorschuss Auskunft über seine Einkommensverhältnisse. Zur Zahlung von Kindesunterhalt wurde er nicht aufgefordert. Er zahlte weder an die Antragsgegnerin noch an das Jugendamt.
Im Jahr 2000, als der Antragsteller Arbeitslosengeld bezog, kam er einer Aufforderung des Arbeitsamtes nach, sein Einkommen zu belegen. Er übersandte den Arbeitslosengeldbescheid. Zur Zahlung von Kindesunterhalt wurde er nicht aufgefordert.
2003 ermittelte das Jugendamt, an das die Antragsgegnerin sich wegen des Unterhalts gewandt hatte, den Wohnsitz des Antragstellers, und es fragte 2003, 2004, 2007, 2008 und 2010 die leistenden Behörden nach den Einkünften des Antragstellers aus der Arbeitslosenhilfe bzw. dem Arbeitslosengeld II. Auf die Anlagen B 3 bis B 6 und B 8 (Bl. 74 ff.) wird Bezug genommen. Die Höhe der Sozialleistungen lag unter der Pfändungsfreigrenze. Den Inhalt der Auskünfte teilte das Jugendamt jeweils der Mutter der Antragsgegnerin mit. Es setzte hinzu, der Unterhaltsanspruch könne gerichtlich nicht durchgesetzt werden, weil der Antragsteller nur Sozialleistungen beziehe. 2007 forderte das Jugendamt den Antragsteller auf, laufenden und rückständigen Kindesunterhalt zu zahlen (Anlage B 9, Bl. 85).
Im Jahr 2008 erteilte der Antragsteller im BAFöG-Verfahren der Antragsgegnerin Auskunft über sein Einkommen. Zur Zahlung von Kindesunterhalt wurde er wiederum nicht aufgefordert.
Im Mai 2010 erwirkte die Antragsgegnerin auf Grund der Jugendamtsurkunde einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Antragsteller, der nun Arbeitsentgelt bezog.
Der Antragsteller behauptet, die Mutter der Antragsgegnerin sei nach Abbruch des Kontakts zwischen den Eltern über Verwandte des Antragstellers stets über dessen Aufenthaltsort informiert gewesen.
Der Antragsteller hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendsamtes N., Landkreis H. vom 19.9.1996, Urkundennummer ..., für die Zeit ab Mai 1997 bis April 2009 für unzulässig zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat behauptet, in den ersten Jahren nach der Trennung ihrer Eltern sei ihrer Mutter der Aufenthaltsort des Antragstellers unbekannt gewesen.
2. Das AG hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Es hat gemeint, besondere Gründe für Zeit- und Umstandsmoment einer Verwirkung der titulierten Ansprüche der Antragsgegnerin seien nicht gegeben. Die Antragsgegnerin habe glaubhaft vorgetragen, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, ihre Ansprüche durchzusetzen, weil sie die Anschrift des Antragstellers nicht gekannt habe. Zudem habe sie eine ohnehin aussichtslose Vollstreckung gegen den Antragsteller, der von sozialstaatlichen Leistungen gelebt habe, nicht versuchen müssen. Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Beschlusses wird auf dessen Gründe verwiesen (Bl. 95 f.).
3. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er verweist erneut darauf, nicht leistungsfähig gewesen zu sein. Er habe nicht damit rechnen müssen, dennoch in Anspruch genommen zu werden. Nachdem er die von den Behörden geforderten Auskünfte erteilt habe, seien Zahlungsaufforderungen nicht erfolgt.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des AG - Familiengericht - Nauen vom 20.2,., Akten...