Leitsatz (amtlich)

1. Wendet sich ein Bieter bei einer Vergabe im wettbewerblichen Dialog mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Verfahrensgestaltung in der Dialogphase, ist der Streitwertfestsetzung die Auftragswertschätzung des Auftraggebers zugrunde zu legen, nicht dagegen die Preisangaben des Bieters für seinen Lösungsvorschlag.

2. Es ist im wettbewerblichen Dialog zulässig, der Ermittlung des Auftragswertes den sog. Public Sector Comparator (PSC), vermindert um einen Abschlag von 10 %, zugrunde zu legen. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung ist nicht zu prüfen, ob diese Auftragswertschätzung zutreffend ist oder nicht.

 

Normenkette

VgV § 6a; GKG § 50 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 22.08.2008; Aktenzeichen VK 19/08)

 

Tenor

1. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, nachdem sie ihre sofortige Beschwerde vom 5.9.2008 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 22.8.2008 - VK 19/08 - zurückgenommen hat.

Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer bleibt vorbehalten.

2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.891.100 EUR festgesetzt.

Der Antrag der Antragstellerin gem. § 111 GWB auf Gewährung von Einsicht in die Auftragswertschätzung des Auftraggebers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Auftraggeber schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7.7.2006 den Neubau eines Landtagsgebäudes im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP) im wettbewerblichen Dialog europaweit aus.

In der Ausschreibung heißt es:

Im Rahmen einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft soll am Standort Alter Markt in Potsdam in den äußeren Um- und Aufrissen des ursprünglichen historischen Gebäudes ein Neubau für den Landtag des Landes Brandenburg errichtet werden ...

Die vertragliche Nutzungsdauer soll 30 Jahre betragen ... Während der Nutzungsphase soll der private Partner auch Gebäudemanagement-Leistungen erbringen- insbesondere Betreiben, Instandhaltung, Bauunterhalt, Schönheits- und Kleinreparaturen, Verfolgen der Gewährleistung, Energiemanagement, Reinigung, Winter- und Gärtnerdienste, Entsorgung und die Bewirtschaftung der Tiefgarage. Der Auftraggeber erwartet vom Auftragnehmer ein umfassendes Gesamt-Angebot für Planungs-, Bau-, Finanzierungs- und Gebäudemanagementleistungen ...

Der Auftraggeber hat den Auftragswert am 19.9.2007 in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Einreichung der Lösungsvorschläge mit 217.822.000 EUR ermittelt.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag begehrte die Antragsstellerin in der Hauptsache, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung des von ihr eingereichten Sondervorschlags "Stadtschloss" fortzuführen. Mit einem Hilfsantrag verfolgte sie eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Aufhebung der Ausschreibung.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber notwendig war. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, jedoch vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat den Nachprüfungsantrag zurückgenommen und erklärt, dass mit der Rücknahme des Nachprüfungsantrages auch die sofortige Beschwerde zurückgenommen ist.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Auftragswertschätzung der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen. Der Auftraggeber hat gemeint, dem Streitwert sei der Wert des Sondervorschlags der Antragstellerin zugrunde zu legen. Dieser habe einen Auftragswert von 376.982.636,30 EUR. Die Antragstellerin meint, es könne nicht auf ihren Sondervorschlag abgestellt werden, weil dieser noch kein mit Preisen versehenes Angebot darstelle.

Sie hat Akteneinsicht in die Auftragswertschätzung des Auftraggebers begehrt. Dem ist der Auftraggeber entgegengetreten.

II.1. Nachdem die Antragstellerin mit der Rücknahme des Nachprüfungsantrages auch die sofortige Beschwerde vom 5.9.2009 zurückgenommen hat, waren ihr die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen.

Die Frage, ob mit der Rücknahme des Nachprüfungsantrages vom 8.7.2008 die Kostenentscheidung der Vergabekammer in dem den Nachprüfungsantrag zurückweisenden Beschluss vom 22.8.2008 in Wegfall gerät, so dass der Senat auch über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu entscheiden hätte, wird in der Rechtsprechung der Vergabesenate unterschiedlich beantwortet. Das OLG Karlsruhe hat diese Frage dem BGH im Wege einer Divergenzvorlage zugänglich gemacht (Beschluss vom 11.7.2008, 15 Verg 5/08, ZfBR 2008, 730, zitiert nach Juris), über die der BGH bisher nicht entschieden hat. Der Senat wird die Entscheidung über die Divergenzvorlage abwarten und behält sich deshalb eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer vor.

2. Nach § 50 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert 5 % der Bruttoauftragssumme, hilfsweise könn...

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