Leitsatz (amtlich)

Nicht jede Beleidigung rechtfertigt Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz.

 

Normenkette

GewSchG § 1

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Aktenzeichen 2.1 F 186/14)

 

Tenor

In der Familiensache Z. ./. Z. wird der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zur Durch-führung der Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung der Beschwerde nicht bewilligt werden. Denn die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Das ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin im Antrag vom 20.5.2014 und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens.

Mit einer einstweiligen Anordnung kann eine vorläufige Regelung nach § 1 oder 2 des Gewaltschutzgesetzes getroffen werden, soweit dies nach den maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht, §§ 214 Abs. 1, 49 Abs. 1 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach § 1 GewSchG liegen nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht vor.

1. Der Antragsgegner hat weder den Körper noch die Gesundheit oder die Freiheit der Antragstellerin verletzt, § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG, noch hat er mit einer gegen diese Rechtsgüter gerichteten Verletzungshandlung gedroht, § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GewSchG. Die nach Darstellung der Antragstellerin an sie gerichtete Aufforderung, "endlich arbeiten zu gehen" und gegen sie gerichtete Beleidigungen erfüllen nicht den Tatbestand einer Drohung, weil der Antragsgegner ihr kein Übel in Aussicht gestellt hat, auf dessen Eintritt er Einfluss hat oder zu haben vorgegeben hat (vgl. Bamberger/Roth/Reinken, BeckOK/BGB, Edition 31, § 1 GewSchG Rz. 32). Auch ist nicht vorgetragen, dass die Antragstellerin selbst infolge der streitigen Äußerungen an ihrer Gesundheit geschädigt worden sei, etwa weil sie medizinisch feststellbare psychische Beeinträchtigungen erlitten habe (vgl. MünchKomm/Krüger, 6. Aufl., § 1 GewSchG Rz. 12).

Entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen Rechtsansicht der Antragstellerin ist der Antragsgegner nach ihrer eigenen Darstellung in der Antragsschrift und in der eidesstattlichen Versicherung vom 16.5.2014 auch nicht widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung oder das befriedete Besitztum der Antragstellerin eingedrungen, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a) GewSchG. Die Antragstellerin hat in ihrer Erklärung vom 16.5.2014 vielmehr ausgeführt, dass sie ein Zusammentreffen des Antragsgegners mit ihrem Sohn D. durch das Fenster beobachtet und ihren Sohn, der sich vor dem Haus befand, dann gerufen habe. Daraufhin sei D. erst in ihre Richtung gelaufen, sei aber vom Vater "zurückgeholt" worden. Die folgenden Beschimpfungen gegenüber der Antragstellerin habe sie durch das Küchenfenster gehört, das sie daraufhin geschlossen habe. Der Antragsgegner habe sich sodann entfernt, woraufhin sich D. erst "nach Hause getraut" habe.

Der Antragsgegner ist demnach nicht in die Wohnung eingedrungen, sondern hat sich vor dem Haus aufgehalten. Auch ein Eindringen in ein befriedetes Besitztum, nämlich ein mit einem Zaun versehenes, von der Antragstellerin genutztes Gelände (vgl. Bamberger/Roth/Reinken, a.a.O., § 1 GewSchG Rz. 33), etwa einen umzäunten Garten der Antragstellerin, ist dem Vortrag nicht zu entnehmen.

Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde schließlich geltend macht, dass der Antragsgegner sie durch seine Beleidigungen unzumutbar belästigt habe, fehlt es an Darlegungen zu der weiteren gesetzlichen Voraussetzung, dass die Belästigung durch wiederholtes Nachstellen oder durch eine Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt sein muss, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b) GewSchG. Grundlage des gestellten Antrages ist keine sich wiederholende Verhaltensweise des Antragsgegners, sondern eine einzige Begegnung mit ihm. Auch die von der Antragstellerin angeführte Regelung des § 238 StGB setzt ein "Nachstellen" voraus, für das ein Gesamtverhalten des Täters kennzeichnend ist, das durch die Summe einzelner Nachstellungshandlungen eine Beeinträchtigung des Opfers herbeiführt (Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 39. Aufl., § 238 Rz. 6).

2. Soweit die Antragstellerin sich auf eine psychische Beeinträchtigung ihres Sohnes D. beruft, die sie auf das Auftreten und die Äußerungen des Antragsgegners zurückführt, steht der Anordnung schon entgegen, dass D. nicht Antragsteller ist, § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG. Die Vorschriften der §§ 1 und 2 GewSchG finden im Übrigen auch keine Anwendung auf das Verhältnis des minderjährigen Kindes zu seinen Eltern. Es gelten vielmehr ausschließlich die familienrechtlichen Vorschriften über die elterliche Sorge und den Umgang, § 3 Abs. 1 GewSchG.

Im Ergebnis der summarischen Prüfung im derzeitigen Stand des Verfahrens wird die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG vom 19.6.2014 voraussichtlich zurückzuweisen sein.

Es besteht Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustel...

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