Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entscheidung aufgrund "mündlicher Erörterung" i.S.d. § 57 Satz 2 FamFG liegt auch dann vor, wenn bei ordnungsgemäßer Ladung der Geladene nicht zum Termin erscheint.
2. Ein bloßes Unterlassen im Sinne des "Verweilens" nach § 123 Abs. 1 StGB oder der Versuch des Eindringens erfüllen nicht den Tatbestand des Eindringens i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a GewSchG. An der Widerrechtlichkeit des Eindringens fehlt es, wenn ein Betreten mit Einverständnis des Hausrechtsinhabers erfolgt, mag dieses auch durch Täuschung erwirkt sein.
3. Die Annahme einer unzumutbaren Belästigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b GewSchG erfordert eine ausdrückliche vorangegangene Erklärung, die Kontaktaufnahme, die Nachstellung oder das Verfolgen nicht zu wollen.
Normenkette
FamFG § 57 S. 2 Nr. 4; GewSchG § 1; StGB § 123 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 18.03.2013; Aktenzeichen 20 F 32/13) |
Tenor
1. Auf die als Beschwerde auszulegende Eingabe des Antragsgegners vom 22.3.2013 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 18.3.2013 abgeändert und in Abänderung des am 8.2.2013 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Marl der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist der Sohn der Antragstellerin. Die Antragstellerin wohnt in einem Mehrfamilienhaus.
Die Antragstellerin hat behauptet, der Antragsgegner missbrauche seit einem Jahrzehnt Betäubungsmittel und Alkohol und lege deswegen eine erhöhte Aggressivität ihr gegenüber an den Tag. Nach Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Ende November 2012 habe der Antragsgegner sie - wohl unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln und Alkohol - zu Hause aufgesucht und ohne erkennbaren Anlass mit einem Messer und einer Gabel auf einen gläsernen Küchentisch eingeschlagen und sie zur Herausgabe von Geld aufgefordert. Als sie ihn zum Verlassen ihrer Wohnung aufgefordert habe, habe er ihr entgegnet "Alte, halt die Fresse". Kurze Zeit nach diesem Vorfall Ende November/Anfang Dezember 2012 habe der Antragsgegner auf sie in ihrem Hause gewartet, sie bei ihrem Eintreffen bedrängt und erneut die Herausgabe von Geld verlangt. Er sei erst dann wieder gegangen, als sie ihm 10 EUR gegeben habe. Eine Woche später habe der Antragsgegner erneut auf sie gewartet. Er habe aus einem Bügelzimmer dort gelagerten Wein und Leergut in seinen mitgeführten Rucksack gesteckt und erneut lauthals nach Geld verlangt. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie keinen weiteren Kontakt zu ihm wünsche und ihm sodann - als er sich hiervon nicht habe beeindrucken lassen - 20 EUR ausgehändigt, damit er das Haus verlasse. Am 27.1.2013 sei der Antragsgegner vor ihrer Wohnungstür erschienen und habe lautstark Einlass in ihre Wohnung begehrt. Nachdem sie sein Verhalten ignoriert habe, habe er mehrmals gegen die Wohnungstür getreten, weiterhin Einlass begehrt und mehrmals gerufen "Du sollst in der Hölle schmoren". Sie habe dann mit lauter Stimme einen Anruf bei der Polizei vorgetäuscht, worauf der Antragsgegner sich dann entfernt habe. Gegen 15:30 Uhr sei er zurückgehrt und habe erneut Einlass begehrt und gegen ihre Wohnungstür getreten.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. dem Antragsgegner zu verbieten, ihre Wohnung im Dachgeschoss zu betreten,
2. dem Antragsgegner zu verbieten, sich im Umkreis von 25 m um ihre Wohnung aufzuhalten,
3. dem Antragsgegner zu verbieten, sich ihr in einem Umkreis von 25 m zu nähern,
4. dem Antragsgegner zu verbieten, ihr aufzulauern,
5. dem Antragsgegner zu verbieten, sich ihrer Arbeitsstelle, dem St. T-Hospital in I, zu nähern, wobei das Verbot eine medizinische Notfallversorgung nicht umfasst,
6. dem Antragsgegner zu verbieten, Kontakt mit ihr, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen und
7. dem Antragsgegner zu verbieten, Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen, und ihm aufzuerlegen im Falle eines zufälligen Zusammentreffens unverzüglich entsprechenden Abstand von 25 m wiederherzustellen,
Das AG - Familiengericht - Marl hat mit am 8.2.2013 erlassenen Beschluss im Wege einer einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung antragsgemäß entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsgegner wiederholt in die Wohnung bzw. ins Zimmer der Antragstellerin eingedrungen sei und ihr wiederholt nachgestellt habe.
Der Antragsgegner hat unter dem 14.2.2013 den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt und unter Verwies auf ein handschriftliches Schreiben der Antragstellerin vom 4.1.2013 (Bl. 29 d.A.), auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, gemeint, dass die erhobenen Vorwürfe unwahr seien und eine Rufschädigung darstellten.
Das AG hat mit Verfügung vom 25.2.2013 - dem Antragsgegner ausweislich Zustellungsurkunde vom 27.2.2013 am 27.2.2013 zugestellt - antragsgemäß Termin zur mündlichen Verhan...