Leitsatz (amtlich)
Das Gewaltschutzgesetz schützt nicht gegen das Verweilen in der Wohnung ohne Befugnis.
Normenkette
GewSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2b; StGB § 123
Verfahrensgang
AG Göttingen (Beschluss vom 25.06.2014; Aktenzeichen 49 F 72/14 EAGS) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Göttingen vom 25.6.2014 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das AG - Familiengericht - Göttingen hat mit Beschluss vom 28.4.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Dem Antragsgegner wird untersagt, das Grundstück in Göttingen,... 35 zu betreten.
Sollte es zu einer zufälligen Begegnung mit der Antragstellerin kommen, hat der Antragsgegner zu ihr sofort einen Abstand von 15 Metern herzustellen und einzuhalten.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Diese Anordnung gilt längstens bis zum 28.10.2014.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Der Verfahrenswert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
Auf die auf Antrag des Antragsgegners anberaumte mündliche Verhandlung vom 4.6.2014 hat das AG nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 25.6.2014 den Beschluss vom 28.4.2014 aufrechterhalten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 28.4.2014 (Bl. 6 ff. d.A.), das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 (Bl. 33 ff. d.A.) sowie den Beschluss vom 25.6.2014 (Bl. 50 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 27.6.2014 zugestellten Beschluss (Bl. 57 d.A.) hat der Antragsgegner mit einem am 11.7.2014 beim AG eingegangen Schriftsatz (Bl. 58 f. d.A.) Beschwerde eingelegt.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, die einstweilige Anordnung sei zu Unrecht ergangen, da er nicht widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung der Antragstellerin eingedrungen sei. Zudem bestehe keine Wiederholungsgefahr, da, wie auch vom AG in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, er nicht beabsichtige, die Wohnung der Antragstellerin noch einmal zu betreten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 11.7.2014 (Bl. 59 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt, die einstweilige Anordnung vom 28.4.2014 in Gestalt des Beschlusses des AG - Familiengerichts - Göttingen vom 25.6.2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Schriftsatz vom 16.9.2014 (Bl. 78 ff. d.A.) Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Göttingen vom 25.6.2014 ist gem. §§ 57 ff. FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 214 Abs. 1 FamFG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Regelung treffen, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden vorliegt, was in der Regel der Fall ist, wenn eine Tat nach § 1 Gewaltschutzgesetz begangen wurde.
Nach § 1 Abs. 1 u. 2 Gewaltschutzgesetz kann das Gericht u.a. auf Antrag Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen anordnen, wenn eine Person widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt.
Nach den Angaben der beteiligten getrennt lebenden Eheleute in der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Regelung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem AG am 4.6.2014 noch vorgelegen haben.
Zwar hat die Schwester der Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 25.4.2014 die Angaben in der Antragsschrift bestätigt, wonach der Antragsgegner - der am Ostersonntag die vier gemeinsamen Kinder für einen Umgangskontakt abholen wollte - u.a. sofort nach dem Öffnen der Tür die Antragstellerin mit Gewalt zu Boden geschubst und anschließend auch die Schwester angegriffen haben sollte. Dieses Vorbringen mag zwar den Erlass einer einstweiligen Anordnung am 28.4.2014 gerechtfertigt haben. Die Antragstellerin hat aber ihre von dem Antragsgegner bestrittenen Darstellungen nicht durch präsente Beweismittel in der mündlichen Verhandlung am 4.6.2014 vor dem AG belegt, sondern selbst Abstand von dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung ihrer Schwester genommen und einen sehr viel komplexeren Sachverhalt geschildert, wonach es bei der Abholung der Kinder zu einem Streit über die Herausgabe des Stammbuches gekommen ist, der im einzelnen von den Beteiligten dann unterschiedlich geschildert wird. Der zunächst behauptete Geschehensablauf ist damit weder von den unmittelbar beteiligten Eheleuten bei ihrer Anhörung vor dem AG bestätigt worden noch hat das AG seine Entscheidung vom...