Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners werden der Beschluss des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 02.12.2022 und das Verfahren, auf dem er beruht, aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Schwedt/Oder zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

4. Der Beschwerdegegnerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Busch in Schwedt/Oder beigeordnet.

 

Gründe

I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Übertragung des Sorgerechts für seine beiden eingangs genannten Kinder zur alleinigen Ausübung auf deren Mutter, die Antragstellerin.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (53 ff.), hat das Amtsgericht auf Antrag der bisher mit dem Antragsgegner gemeinsam sorgeberechtigten Antragstellerin, dieser das alleinige Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder eingeräumt. Dabei hat es von der Bestellung eines Verfahrensbeistands und der Anhörung der Kinder abgesehen.

Zur Begründung der Sorgerechtsentscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Mutter dem Kindeswohl entspreche, da die Kommunikation der Eltern nachhaltig gestört sei, der Antragsgegner unzuverlässig und oft nicht erreichbar und offensichtlich nicht bereit und nicht in der Lage sei, an der zukünftigen Lebensgestaltung seiner Kinder mitzuwirken. Der Antragsgegner lehne eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ab und habe nicht zuletzt durch seine Weigerung, sich aus der Untersuchungshaft zum Anhörungstermin vorführen zu lassen, sein beharrliches Desinteresse und fehlendes Verantwortungsbewusstsein deutlich gemacht.

Hiergegen richtet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde mit der er der Darstellung des Amtsgerichts widerspricht.

Der Senat hat für die Kinder mit Beschluss vom 12.09.2023 im Beschwerdeverfahren einen Verfahrensbeistand bestellt.

Der Verfahrensbeistand und die Beschwerdegegnerin beantragen,

den Beschluss des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 02.12.2022 und das Verfahren, auf dem er beruht, aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Schwedt/Oder zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat, auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerdeverfahren sowie auf seinen Hinweis vom 12.09.2023 (Bl. 14 eAkte OLG). Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Eine erneute Anhörung der Beteiligten ist zudem entbehrlich, wenn der angefochtene Beschluss in jedem Fall aufzuheben ist (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger/Roßmann, FamFG, 5. Aufl., § 68 Rn. 41 m.w.N.).

II. Die nach § 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg insoweit, als sie zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung über den Sorgerechtsantrag und gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht führt.

Es liegt noch keine abschließende Entscheidung in der Sache vor, weil das Amtsgericht es entgegen § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG verfahrensfehlerhaft versäumt hat, einen Verfahrensbeistand zu bestellen und diesen am Verfahren zu beteiligen. Zieht das Gericht einen gemäß § 7 FamFG notwendig am Verfahren zu beteiligenden fehlerhaft nicht hinzu, ist diesem gegenüber noch keine Entscheidung in der Sache getroffen worden. Das ist insbesondere auch dann der Fall, wenn die gesetzlich notwendige Bestellung eines Verfahrensbeistands unterblieben ist (OLG Bamberg, BeckRS 2023, 23262; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 6 UF 79/21 -, Rn. 9, juris; OLG Zweibrücken, BeckRS 2022, 4509; OLG Hamm, FamRZ 2018, 456; OLG Rostock, FamRZ 2014, 2020; OLG Brandenburg, FamRB 2012, 343; Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 69 Rn. 19; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, 13. Aufl. 2022, FamFG, § 69 Rn. 10; vgl. auch Zöller-Feskorn, 34. Aufl 2022, FamFG, § 69 Rn. 8 a, 10 für eine entsprechende Zurückverweisung nach Maßgabe von § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Die Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands bestand vorliegend, weil das Interesse der Kinder zu dem ihrer gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht (§ 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG). Ein erheblicher Interessengegensatz ist anzunehmen, wenn es nach dem Sachverhalt naheliegt, dass die Eltern vornehmlich ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen oder aufgrund der Intensität ihres Konflikts die Gefahr besteht, dass sie die Interessen des Kindes aus dem Blick verlieren. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensbeistandschaft auch dem Umstand Rechnung tragen soll, dass Kinder bei Konflikten getrenntlebender Eltern sich oft in einer verunsicherten psychischen Situation befinden und ein Ver...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge