Leitsatz (amtlich)

1. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts kann dann uneingeschränkt erfolgen, wenn das Gericht die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts als gegeben ansieht und die durch Beiordnung des auswärtigen Anwalts als Verkehrsanwalt bei gleichzeitiger Beiordnung eines ortsansässigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten entstehenden Kosten höher wären als die uneingeschränkte Beiordnung allein des auswärtigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten. Insoweit ist eine Vergleichsberechnung geboten.

2. Das Verbot der reformatio in peius gilt im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe auch bezüglich der Beiordnungsentscheidung und ist auch vom AG im Rahmen der Abhilfeentscheidung zu beachten.

 

Normenkette

FamFG § 78

 

Verfahrensgang

AG Luckenwalde (Beschluss vom 04.10.2012; Aktenzeichen 31 F 60/08)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss vom 4.10.2012 in der Fassung der Abhilfeentscheidung vom 12.10.2012 wird abgeändert.

Der Antragstellerin wird Rechtsanwältin ... in ... zu den Bedingungen einer am Wohnsitz der Antragstellerin niedergelassenen Rechtsanwältin beigeordnet.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Die Voraussetzungen für die vom AG in der Nichtabhilfeentscheidung vorgenommene Einschränkung der Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin liegen nicht vor.

1. Indem das AG die Verfahrensbevollmächtigte durch den angefochtenen Beschluss zu den Bedingungen einer ortsansässigen Rechtsanwältin und durch die Abhilfeentscheidung vom 12.10.2012 zu den Bedingungen einer am Wohnsitz der Antragstellerin niedergelassenen Rechtsanwältin, beschränkt durch die Kosten einer für die Antragstellerin bestellten Verkehrsanwältin, beigeordnet hat, ist es von der Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt gem. § 78 Abs. 2 FamFG ausgegangen. Dies unterliegt schon mit Rücksicht auf das Verschlechterungsverbot (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2009, 366; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rz. 90) nicht der Überprüfung durch den Senat.

2. Gemäß § 78 Abs. 3 FamFG kann ein in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Das in dieser Vorschrift ausgesprochene Mehrkostenverbot entspricht demjenigen in § 121 Abs. 3 ZPO (vgl. FamVerf-/Gutjahr, § 2 Rz. 76). Gemessen hieran kann die vom AG getroffene Entscheidung im Ergebnis nicht von Bestand bleiben.

a) Allerdings ist das Mehrkostenverbot entgegen der Auffassung der Antragstellerin ungeachtet des Umstands zu beachten, dass mit Einführung des RVG die Vorschrift des § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ersatzlos weggefallen ist. Die insoweit angeführte Entscheidung des OLG Oldenburg (NJW 2006, 851) betrifft allein die Beiordnung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts, der seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat. Das OLG Oldenburg ist in diesem Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass sämtliche bei ihm, dem OLG, zugelassenen Rechtsanwälte, im Zweifel also sämtliche in seinen Bezirk niedergelassene Rechtsanwälte, in der zweiten Instanz uneingeschränkt beigeordnet werden müssen. Damit nicht vergleichbar ist das Problem der Beiordnung für die erste Instanz. § 78 Abs. 3 FamFG bestimmt - ebenso wie § 121 Abs. 3 ZPO - eindeutig, dass ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Der Prüfung der besonderen Kosten bedarf es also stets dann, wenn die Beiordnung eines Rechtsanwalts begehrt wird, der nicht im Bezirk des erstinstanzlichen Gerichts niedergelassen ist. So liegt es hier in Bezug auf die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin.

b) Zu Recht ist das AG in seiner Abhilfeentscheidung davon ausgegangen, dass bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein nicht bei dem Verfahrensgericht niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist, stets geprüft werden muss, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden (BGH NJW 2004, 2749). Das AG ist in der Abhilfeentscheidung davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts aufgrund der Umstände des Einzelfalles vorgelegen haben.

Auf die vom AG angesprochene Frage, inwieweit der Beiordnungsantrag eines nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts zugelassenen Rechtsanwalts regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbots entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts enthält (vgl. BGH, NJW 2006, 3783), kommt es hier nicht an. Denn spätestens im Beschwerdeverfahren muss das Gericht im Rahmen der Abhilfeprüfung die notwen...

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