Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Lebensversicherungen und Versicherungsbeiträgen für die sog. Riester-Rente bei der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Verwertung von Lebensversicherungen bei der Prozesskostenhilfe.

2. Versicherungsbeiträge für die sog. Riester-Rentenversicherung sind unterhaltsrechtlich regelmäßig beachtlich.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Aktenzeichen 52 F 170/04)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten vom 21.1.2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

2. Eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter erfolgt nicht, § 526 Abs. 1 ZPO.

 

Gründe

A. Die Bedürftigkeit des Beklagten gem. §§ 114, 115, 119 Abs. 1 ZPO besteht nach derzeitigem Stand nicht, weshalb ihm Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren insgesamt zu versagen ist.

I. Einnahmen/Ausgaben

Es bestehen bereits Bedenken an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.

So errechnet sich der Beklagte bei eigenen Bruttoeinkünften oberhalb 5.500 EUR Ausgaben über annähernd denselben Betrag, weshalb er lediglich zu einem freien Restbetrag von rund 8 EUR kommt. Da in den aufgelisteten laufenden Kosten insb. solche der Verköstigung fehlen, ist nicht nachvollziehbar, wovon sich der Beklagte ernährt, unabhängig davon, dass auch weitere Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs, insb. solche von Freizeitaktivitäten, nicht dargestellt sind.

II. Vermögen

Die entsprechenden Bedenken können jedoch dahinstehen, da der Beklagte aus weiteren Gründen sich nicht auf seine mangelnde Bedürftigkeit berufen kann.

1. Mitwirkungspflicht

Prozesskostenhilfe ist eine besondere Form der Sozialhilfe, die von der solidarisch verbundenen Allgemeinheit im Bereich der Rechtspflege der bedürftigen Partei zur Verfügung gestellt wird (BGH JAmt 2005, 323 [324]). Von der bedürftigen Partei kann erwartet werden, dass sie aktiv am Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mitwirkt. Mit der positiven Bewilligung kann die Partei lediglich dann rechnen, wenn sie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der PKH in ausreichender Weise dargetan hat (BGH FamRZ 2004, 99). Über ihre Vermögensgegenstände hat sich die Partei grundsätzlich auch ohne gerichtlicherseits erteilte Aufforderung zu erklären, da für die um Prozesskostenhilfe ersuchende Partei erkennbar ist, dass ihr nur bei tatsächlich bestehender Bedürftigkeit Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (OLG Brandenburg NJW-RR 2005, 871 [872]; v. 20.1.2003 - 9 WF 9/03, FamRZ 2004, 120). Erst recht gilt dies bei einer anwaltlich vertretenen Partei (OLG Brandenburg NJW-RR 2005, 871 [872]; v. 4.9.2003 - 9 WF 158/03, FamRZ 2004, 972). Verstößt die Partei gegen diese Pflichten, kann dies den Vorwurf der Mutwilligkeit rechtfertigen (Zöller/Philippi, 25. Aufl., § 114 Rz. 36).

2. Rentenversicherung; VL-Vertrag

Der Beklagte führt eine Rentenversicherung, auf die er monatlich 117 EUR einzahlt und für die er bislang keinen Rückkaufswert angegeben hat. Möglicherweise unterfällt die Rentenversicherung dem Schutz gem. §§ 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, was hier aber mangels ausreichenden Vorbringens nicht abschließend bewertet werden kann. Zudem führt er einen sog. "VL-Vertrag", über den bis auf den Hinweis "bis 2010" nichts Näheres bekannt ist.

Da das Institut der Prozesskostenhilfe, das eine Art Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen in Aussicht stellt, ausschließlich dazu dient, wirtschaftlich Schwachen den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, hat die Partei zunächst ihr Vermögen vorrangig zur Finanzierung des Prozesses einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 2 ZPO), bevor die Allgemeinheit mit diesen Kosten belastet werden darf.

Eine vorhandene Lebensversicherung muss einer Verwertung zugeführt werden - sei es im Wege der Beleihung, sei es im Wege der Realisierung des Rückkaufswertes - bevor die Solidarität der Allgemeinheit durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird (allg. BVerwG v. 13.5.2004 - 5 C 3/03, NJW 2004, 3647 [3648]; OLG Stuttgart v. 22.1.2003 - 11 WF 5/03, FamRZ 2004, 1651; OLG Köln FamRZ 2004, 382; KG v. 4.2.2003 - 17 WF 19/03, KGReport Berlin 2004, 171 = FamRZ 2003, 1394; AG Pforzheim v. 1.7.2004 - 5 F 162/04, FamRZ 2005, 467 [468]). Daran ändert auch nichts, dass dieses Kapital - möglicherweise - der Alterssicherung dient, da auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen ist (OLG Frankfurt v. 27.5.2004 - 2 WF 34/04, FamRZ 2005, 466). Dabei kann sich die Partei auch nicht darauf berufen, dass mit der vorzeitigen Realisierung der Versicherung Verluste verbunden sind. Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist abzulehnen. Der Einsatz von Vermögenswerten ist auch dann zumutbar, wenn mit der vorzeitigen Kündigung Einbußen verbunden sind (BSG FamRB 2005, 347 für Kapitallebensversicherungen; OLG Celle v. 9.12.2004 - 21 WF 351/04, FamRZ 2005, 992 für Sparguthaben; i.E. auch OLG Frankfurt v. 27.5.2004 -...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge