Verfahrensgang

AG Oranienburg (Aktenzeichen 35 F 144/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Mutter wird der (Ordnungsgeld-)Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 29. September 2020 - Az. 35 F 144/19 - abgeändert und der Ordnungsmittelantrag des Vaters vom 5. März 2021 zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Ordnungsgeldverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf bis 1.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1. Die Mutter wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 23. Oktober 2020 gegen die mit Beschluss vom 29. September 2020 erfolgte Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 800 EUR zur Durchsetzung des Umgangsrechts des Vaters mit der heute fast drei Jahre alten Tochter M....

Mit familiengerichtlich am 27. November 2019 gebilligter Vereinbarung haben die Beteiligten den Umgang des Vaters mit M... einmal wöchentlich (abwechselnd sonntags und freitags) für bis zu drei Stunden geregelt und perspektivisch eine Ausweitung desselben bis hin zu Übernachtungsumgängen verabredet. Der letzte Umgang fand am 16. Februar 2020 statt. Danach hat die Mutter die Umgänge vollständig ausgesetzt. Sie hat geltend gemacht, nach Rückkehr M... am 16. Februar 2020 festgestellt zu haben, dass die Tochter sich ihr gegenüber ungewöhnlich abweisend und distanziert verhalten, auffällig viel geweint und sich wiederholt an ihr Gesäß und Genital gefasst habe und dort beim Wickeln dann auch Rötungen festzustellen gewesen seien. Am selben Abend hat die Mutter den Vater wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen bei der Polizei angezeigt; nach den daraufhin veranlassten klinischen Untersuchungen wie auch den weiteren polizeilichen Ermittlungen ließ sich ein sexuell übergriffiges Verhalten des Vaters auf M... nicht feststellen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde bereits am 23. März 2020 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Unter dem 5. März 2020 hat der Vater auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Mutter wegen der eigenmächtigen Umgangsaussetzung angetragen, für die es in seiner Person keine Gründe gebe.

Die Mutter verteidigt ihr Verhalten mit berechtigter Sorge um das Wohlergehen des Kindes und den ärztlichen und auch vom Jugendamt ergangenen Empfehlungen, den Umgang bis zur Klärung auszusetzen.

Mit Beschluss vom 29. September 2020 hat das Amtsgericht gegen die Mutter ein Ordnungsgeld von 800 EUR verhängt. Es habe keine nachvollziehbaren Gründe für die anhaltende Verweigerung des Umgangs gegeben; für den von der Mutter in den Raum gestellten Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens des Vaters fehlten tragfähigen Anknüpfungstatsachen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Mutter. Sie erstrebt die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses und macht hierzu mit näherer Darlegung geltend, es habe der Anfangsverdacht eines strafrechtlich relevanten kindeswohlschädigenden Verhaltens des Vaters gegeben, der die Polizei, das Jugendamt und die Kinderschutzambulanz zu der Empfehlung einer Umgangsaussetzung veranlasst habe, der sie habe folgen dürfen.

2. Die sofortige Beschwerde der Mutter ist statthaft und als zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt zu behandeln, da ein Zustellungsnachweis für die angefochtene Entscheidung nicht zur Akte gelangt ist (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen - gerichtlich gebilligte und inhaltlich vollstreckungsfähige Umgangsvereinbarung nebst Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG - liegen zwar unstreitig vor. Ebenso unstreitig hat die Mutter nach dem 16. Februar 2020 einseitig die weitere Durchführung persönlichen Umgangs zwischen dem Vater und der Tochter M... verweigert.

Auch findet eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der gerichtlich getroffenen oder gebilligten Umgangsregelung im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr statt vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kindeswohldienlichkeit der getroffenen Regelung im Erkenntnisverfahren umfassend geprüft wurde (BGH FamRZ 2015, 2147 - Rdnr. 30 bei juris; FamRZ 2012, 533 - Rdnr. 22; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 89 FamFG Rdnr. 5).

Neu hinzutretende Umstände können der Vollstreckung eines Umgangstitels jedoch ausnahmsweise zur Wahrung des Kindeswohls entgegenstehen, wenn darauf ein zulässiger Antrag auf Abänderung des Ausgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG gestützt ist (BGH FamRZ 2012, 533 - Rdnr. 23 OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 2012; OLG Schleswig FamRZ 2015, 1222).

Vorliegend hat die Mutter ihr umgangsverweigerndes Verhalten mit von ihr am 16. Februar 2020 beobachteten Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die in ihr den Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens des Vaters habe entstehen lassen und zu einem entsprechenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geführt haben und auch die beteiligten Fachkrä...

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