Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 16. Februar 2021 aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Neuruppin zurückverwiesen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird im Beschwerdeverfahren abgesehen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.604 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller nehmen den Antragsgegner, ihren Vater, im vereinfachten Verfahren auf die Zahlung von Mindestunterhalt abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes ab dem 1. September 2020 in Anspruch.

Durch anwaltsschriftsätzliche Erklärung (Bl. 14 ff.) hat der Antragsgegner unter Vorlage der Steuerbescheide für 2018 (Bl. 17 ff.), 2017 (Bl. 24 ff.), der Beitragsbescheinigung seiner privaten Krankenversicherung (Bl. 31), einer betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum Januar bis September 2020 (Bl. 32 - 58) und einer vorläufigen Gewinnermittlung für 2019 (Bl. 59 - 73) geltend gemacht, er sei zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht leistungsfähig. Sein Einkommen, das er als Selbstständiger erzielen könne, sei während der Corona-Pandemie so stark zurückgegangen, dass sich bis September 2020 ein deutlich negatives Betriebsergebnis (- 21.162,35 EUR) ergeben habe. Angesichts der aktuellen Situation sei für den Antragsgegner die Erzielung eines positiven Einkommens nicht möglich.

Mit Verfügung vom 29. Dezember 2020 (Bl. 74) hat das Amtsgericht den Antragsgegner unter anderem "auf § 252 Abs. 2 FamFG hingewiesen" und um weitere Veranlassung gebeten. Darauf hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 (Bl. 75) nochmals erklärt, zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht leistungsfähig zu sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 76 ff.) hat das Amtsgericht den Antragsteller antragsgemäß verpflichtet und die erhobenen Einwendungen mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, dass der Antragsgegner trotz gerichtlichen Hinweises vom 29. Dezember 2020 nicht zugleich erklärt habe, inwieweit er zur Unterhaltszahlung bereit sei und sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruches verpflichte (§ 252 Abs. 2 FamFG).

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die Abweisung der Anträge der Antragsteller, weil er zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht leistungsfähig sei.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Auch das Beschwerdeverfahren nach einer Festsetzung im vereinfachten Verfahren ist grundsätzlich ein rein schriftliches Verfahren. Der Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG bedarf es nicht (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rn. 681).

II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, §§ 58 ff. FamFG. Die im vereinfachten Verfahren zu beachtenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 FamFG sind erfüllt.

Gemäß § 256 S. 1 FamFG können mit der Beschwerde gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG nur geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer sie ordnungsgemäß in der ersten Instanz vor Verfügung des Festsetzungsbeschlusses erhoben hat. Wird das Rechtsmittel auf solche Anfechtungsgründe gestützt, ist es zulässig (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 562; Zöller/Lorenz, ZPO, 33. Aufl., § 256 FamFG, Rn. 16; Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 6. Aufl., § 256 FamFG Rn. 5 f.).

Dementsprechend ist der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit zulässig. Der Antragsgegner hat diesen Einwand nach §§ 252 Abs. 2 und 3 FamFG rechtzeitig und in zulässiger Weise vorgebracht.

Dem steht nicht entgegen, dass er keinen konkreten Betrag benannt hat, zu dessen Leistung er bereit sei und sich insoweit zur Erfüllung verpflichte. Der Antragsgegner kann auch die Erklärung abgeben, keinen Unterhalt zahlen zu wollen, etwa weil er insgesamt leistungsunfähig sei (MüKoFamFG/Macco, 3. A., 2018, FamFG, § 252 Rn. 14). Hat der Antragsgegner über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollständig Auskunft erteilt und dargelegt, dass er den verlangten Unterhalt ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts nicht zahlen könne, braucht er eine Erklärung nach § 252 Abs. 2 FamFG nicht noch ausdrücklich abzugeben. Die Erklärung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen und nach §§ 133, 157 BGB entsprechend ausgelegt werden, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, in welchem Umfang der Antragsgegner die Unterhaltsforderung gegen sich gelten lassen will. (MüKoFamFG/Macco, a. a. O.)

So liegt der Fall hier. Die Erklärung, zur Zahlung von Unterhalt im Hinblick auf den zugleich umfassend belegten Umstand außer Stande zu sein, dass er derzeit keinerlei positive Erwerbseinkünfte erziele, ist eindeutig. Sie bedeutet, dass der Antragsgegner keinen Unterhalt zahlen kann. Ihm die Erklärung abzuverlangen, dass er null Euro zu zahlen bereit sei und sich hierzu verpflichte, um seinen Einwand berücksichtigungsfähig zu machen, wäre bedenkliche, leere Förmelei.

2. Die Beschwerde ist auch begründet und führt z...

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