Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat grundsätzlich das Beschwerdegericht und nicht das erstinstanzliche Gericht im Rahmen seiner Abhilfeentscheidung nach § 572 S. 1 ZPO zu entscheiden.

2. Eine wirksame Zustellung kann gem. § 175 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein, nicht jedoch mit dem sog. Einwurf-Einschreiben bewirkt werden. Zur Frage, in welchen Fällen die mangelhafte Zustellung mittels Einwurf-Einschreibendurch tatsächlichen Zugang des Schriftstücks gem. § 189 ZPO geheilt werden kann.

3. Ist die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 2 Halbs. 2 ZPO aufgehoben worden, weil die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht abgegeben hat, so ist es der Partei nicht verwehrt, gegen die Aufhebung der Bewilligung sofortige Beschwerde einzulegen und dabei die geforderte Erklärung nachzuholen.

 

Normenkette

ZPO §§ 124, 175, 189, 237

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 08.04.2004; Aktenzeichen 6 F 302/98)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27.4.2004 führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Beschl. v. 8.4.2004 ist schon deshalb aufzuheben, weil das AG nicht befugt war, den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

Der Beklagte hat gegen den die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) aufhebenden Beschl. v. 14.2.2003 durch Schriftsatz vom 7.4.2004 sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Bei dem Rechtsmittel vom 7.4.2004 handelt es sich um eine sofortige Beschwerde gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 127 Rz. 10a), weshalb der Rechtspfleger zunächst gem. § 572 ZPO die Frage der Abhilfe zu prüfen hatte (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 572 Rz. 2). Daher hätte der Rechtspfleger über den Wiedereinsetzungsantrag nur entscheiden dürfen, wenn er ihn für begründet und die sofortige Beschwerde gegen den Beschl. v. 14.2.2003 für zulässig und (zumindest teilweise) begründet erachtet hätte (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 237 Rz. 1). Da der Rechtspfleger aber die sofortige Beschwerde vom 7.4.2004 für unzulässig und den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet gehalten hat, hätte er die Sache mit einer Nichtabhilfeentscheidung über die sofortige Beschwerde vom 7.4.2004 dem Senat vorlegen müssen. Denn gem. § 237 ZPO ist für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung das Gericht zuständig, das über die versäumte Prozesshandlung zu entscheiden hat (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 237 Rz. 1; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 237 Rz. 2) und das ist im Falle der sofortigen Beschwerde grundsätzlich das Beschwerdegericht (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 237 Rz. 1). Ein anderes Gericht darf die Entscheidung nicht vorwegnehmen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 237 Rz. 3).

Daher ist der die Wiedereinsetzung versagende Beschl. v. 8.4.2004 aufzuheben und die Sache an das AG zurückzuverweisen. Das AG wird nun zunächst über die Frage der Abhilfe der sofortigen Beschwerde vom 7.4.2004 gegen den Beschl. v. 14.2.2003 befinden und, falls es nicht abhilft, was zu begründen ist (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 572 Rz. 10), die Sache dem Senat zur Entscheidung vorlegen. Im Abhilfeverfahren ist insb. zu prüfen, ob die einmonatige Beschwerdefrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO überhaupt versäumt worden ist, was erst eine Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags eröffnen würde (BGH NJW 1998, 1155 f. [1156]; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rz. 9). Insoweit wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass den Akten eine Zustellung oder sonstige Bekanntgabe des Beschlusses vom 14.2.2003 nicht zu entnehmen ist. Der Beschluss ist dem Beklagten vielmehr erstmals auf Grund der Verfügung vom 8.3.2004 am 17.3.2004 formlos übersandt worden.

Die am 14.2.2003 verfügte Übermittlung des Beschlusses an den Beklagten durch Einwurfeinschreiben stellt keine wirksame Zustellung dar, sodass sie die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt hat (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 569 Rz. 4).

Allerdings ist gem. § 175 ZPO eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein zulässig, wobei die Zustellung mit Übergabe an den Adressaten ausgeführt wird und der Rückschein die Zustellung, nämlich den Zugang an den angegebenen Empfänger mit Datum, belegt (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 175 Rz. 4, 6). Diesen Anforderungen genügt jedoch ein sog. Einwurfeinschreiben nicht. Denn bei diesem wird die Sendung nicht mit Übergabe an den Adressaten zugestellt, sondern es erfolgt nur ein Einwurf in den Wohnungsbriefkasten, der dokumentiert wird. Es handelt sich daher um keine zulässig...

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