Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Reisekosten bei Beauftragung einer überörtlichen Sozietät
Leitsatz (amtlich)
1. Ausgangspunkt für die Berechnung der Kosten für notwendige Informationsreisen und Reisen zur persönlichen Wahrnehmung von Gerichtsterminen ist bei Gebietskörperschaften der Sitz der Vertretungsbehörde.
2. Beauftragt eine an einem auswärtigen Gerichtsstand verklagte Partei eine an ihrem Sitz residierende überörtliche Sozietät mit ihrer Prozessvertretung, schulden alle Rechtsanwälte der Sozietät die Erfüllung der anwaltlichen Pflichten. Die anwaltlichen Reisekosten des am Geschäftssitz der Partei residierenden Sozietätsmitgliedes sind nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten des Sozietätsmitgliedes erstattungsfähig, der näher am Gerichtsort residiert.
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 11 O 97/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Frankfurt (Oder) vom 3.5.2005 (11 O 97/03) teilweise dahin abgeändert, dass der Kläger an den Beklagten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 134,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 17.3.2005 zu zahlen hat.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 300 EUR festgesetzt.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nahm das Land B., dieses vertreten durch das B. Autobahnamt mit Sitz in H.N., auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Überschwemmungsschaden in Anspruch. Der Beklagte ließ sich von einer überörtlichen Rechtsanwaltssozietät mit Kanzleien in H. und in R. vertreten. Die Gerichtstermine hat ein Prozessbevollmächtigter aus der H.-Kanzlei wahrgenommen. Die Klage ist durch Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 30.3.2005 rechtskräftig abgewiesen worden. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden.
Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 16.3.2005 machte der Beklagte u.a. Reisekosten seines in H. residierenden Prozessbevollmächtigten geltend.
Durch Beschluss vom 3.5.2005 setzte das LG die von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 2.094,74 EUR fest. Die Reisekosten des in H. ansässigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten berücksichtigte es lediglich in Höhe fiktiver Informationsreisekosten eines Mitarbeiters des Beklagten zu einem Rechtsanwalt am Gerichtsort von 48 EUR.
Gegen diesen dem Beklagten am 12.5.2005 zugestellten Beschluss richtet sich dessen am 26.5.2005 eingegangene sofortige Beschwerde. Er begehrt die Berücksichtigung der Reisekosten seines in H. ansässigen Prozessbevollmächtigten in voller Höhe.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist teilweise begründet. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Erstattung von Reiskosten über den bereits vom LG berücksichtigten Betrag hinaus i.H.v. 134,49 EUR. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist im Betrage von 134,49 EUR begründet. Der Beklagte hat Anspruch auf Erstattung von Reisekosten in dieser Höhe, die angefallen wären, wenn der in R. ansässige Prozessbevollmächtigte die Gerichtstermine wahrgenommen hätte.
Die Zuziehung der nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnhaften Rechtsanwälte des Beklagten in H. war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zweckmäßig gem. § 91 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Reisekosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes entstanden sind, sind zu erstatten, wenn sie i.S.d. § 91 Abs. 1 Nr. 1 ZPO notwendig waren. Hierbei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihre berechtigten Interessen verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH NJW-RR 2005, 1662).
Im Allgemeinen handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretun...