Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 16.2.2023 über die Ablehnung der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 3. im Wege der Rechtshilfe wird aufgehoben.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel ist verpflichtet, dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Rüsselsheim zu entsprechen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt mit der beim Amtsgericht Rüsselsheim durchgeführten Klage die Beklagten als Gesamtschuldner auf die Leistung eines Schadensersatzes in Höhe von 3.037,90 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Verkehrsunfallgeschehen am XX.XX.2019 auf der Autobahn bei ("Ort01") in Anspruch. Die dazu am 26.1.2023 durchgeführte mündliche Verhandlung hat zum Erlass eines Beweisbeschlusses über die Vernehmung von Zeugen geführt. In dem Beweisbeschluss vom 26.1.2023 ist weiter niedergelegt, dass vor der Vernehmung der Zeugen der Beklagte zu 3. im Wege der Rechtshilfe durch das für seinen Wohnsitz zuständigen Amtsgericht zum Unfallgeschehen angehört werden soll. Dazu hat das Amtsgericht Rüsselsheim die Akten an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel übersandt.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat durch Beschluss vom 16.2.2023 die Durchführung der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 3. im Wege der Rechtshilfe abgelehnt mit der Begründung, dass die persönliche Anhörung der Partei gemäß § 141 ZPO nur durch das Prozessgericht und nicht im Wege der Rechtshilfe erfolgen könne.
Daraufhin hat das Amtsgericht Rüsselsheim durch Beschluss vom 28.4.2023 die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt.
II. Auf die Vorlage durch das Amtsgericht Rüsselsheim ist der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 16.2.2023 aufzuheben und die Verpflichtung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zur Durchführung des Rechtshilfeersuchens des Amtsgerichts Rüsselsheim auszusprechen.
Die Vorlage des Amtsgerichts Rüsselsheim ist nach § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG statthaft und zulässig. Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist als das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das ersuchte Amtsgericht Brandenburg an der Havel gehört, zur Entscheidung berufen, die gemäß § 159 Abs. 2 GVG ohne mündliche Verhandlung ergeht.
Das Vorlagebegehren ist begründet. Denn nach § 158 Abs. 1 GVG darf ein Rechtshilfeersuchen grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Soweit eine Ablehnung nach § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG ausnahmsweise erfolgen kann, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist, kann das Vorliegen eines solchen Falls hier nicht festgestellt werden.
Ein Verbotensein im Sinne des § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG ist gegeben, wenn das Rechtshilfeersuchen seinem Inhalt nach schlechthin unzulässig und nicht etwa nur im konkreten Einzelfall verboten ist (Brdbg. OLG - 1. Senat für Familiensachen -, Beschluss vom 26.9.2013, 1 (F) Sa 15/13, zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 15.3.2018, 1 W 13/18, zitiert nach juris; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl., § 158 GVG, Rn. 3; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 158, Rn. 11). Das ist hier nicht der Fall. Denn die persönliche Anhörung der Partei zur Aufklärung des Sachverhalts ist Gegenstand der gesetzlichen Regelung in § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO und durch diese eröffnet (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 141, Rn. 6). Sie ist auch als Gegenstand eines Rechtshilfeersuchens nach §§ 156 ff. GVG nicht schlechthin unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die besseren Gründe für oder gegen die herrschende Meinung sprechen, nach der die Durchführung der Parteianhörung nach § 141 ZPO nur dem Prozessgericht und nicht - auch - einem ersuchten oder beauftragten Richter eröffnet ist (Zöller/Greger a.a.O.; MünchKomm./Fritzsche, ZPO, 6. Aufl., § 141, Rn. 16; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Aufl., § 141, Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann, ZPO, 5. Aufl., § 141, Rn. 51; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 44. Aufl., § 141, Rn. 2). Denn die Form der Durchführung einer vom Prozessgericht für erforderlich gehaltenen Parteianhörung ist in der Zivilprozessordnung weder für Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung noch für Verfahren mit freigestellter mündlicher Verhandlung ausdrücklich geregelt (BGH, Beschluss 21.1.2016, I ZB 12/15, zitiert nach juris). Auch im Übrigen ist kein zwingender Grund dafür ersichtlich, dass die Parteianhörung, deren Ergebnis im Rahmen einer Beweiswürdigung nach § 286 ZPO berücksichtigungsfähig ist, zwingend vor dem erkennenden Gericht erfolgen muss, wohingegen die Durchführung der eigentlichen Beweisaufnahme einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden kann (BGH a.a.O.). Demgemäß wird in der Rechtsprechung (OLG Köln MDR 1986,152) und der Literatur (Anders/Gehle/Bünnigmann, ZPO, 81. Aufl., § 141, Rn. 19; BeckOK/von Selle, ZPO, Stand 1.3.2023, § 141, Rn. 12.1) auch vertreten oder wenigstens erwogen, dass die Parteianhörung ebenso durch den ersuchten oder beauftragten Richter erfolgen kann. Damit aber kann diese Vorgehensweise jedenfalls nicht als schlechthin ausgeschlossen angesehen werden mit der Folge, dass...