Leitsatz (amtlich)
Nur ein schlechthin unzulässiges Rechtshilfegesuch darf abgelehnt werden.
Die Regelung in § 319 Abs. 4 FamFG schließt eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe nicht völlig aus.
Normenkette
FamFG § 319; GVG §§ 158, 159 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Meschede (Aktenzeichen 4 XVII 1385/00) |
Tenor
Die ablehnenden Entscheidungen des Amtsgerichts Brilon vom 13.02.2018 (7 AR 10/18) und vom 23.02.2018 (7 AR 12/18) werden aufgehoben.
Das Amtsgericht Brilon ist verpflichtet, dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Meschede zu entsprechen.
Gründe
I. Beim Amtsgericht - Betreuungsgericht - Meschede ist seit dem Jahr 2000 ein Betreuungsverfahren für die Betroffene anhängig. Zum Betreuer ist der Vater der Betroffenen bestellt. Die Betroffene wohnt seit 2016 während der Woche im K-Heim in P, welches im Amtsgerichtsbezirk Brilon liegt, an den Wochenenden bei ihren Eltern in Meschede.
Nach Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht Meschede mit Beschluss vom 15.04.2016 die zeitweise Entziehung der Freiheit der Betroffenen mittels Bettgitter während der Nacht im K-Heim vormundschaftsgerichtlich bis zum 15.04.2018 genehmigt.
Von einer Anfang 2018 beabsichtigten Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Brilon hat das Amtsgericht Meschede nach Anhörung des Betreuers der Betroffenen Abstand genommen.
Der Betreuer hat mit Schreiben vom 24.01.2018 die weitere vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Beschränkung der Freiheit der Betroffenen mittels Bettgitter während der Nacht beantragt. Mit Verfügung vom 06.02.2018 hat das Amtsgericht Meschede das Amtsgericht Brilon im Wege der Rechtshilfe um Anhörung der Betroffenen gebeten. Das Amtsgericht Brilon hat das Rechtshilfeersuchen mit Schreiben vom 13.02.2018 unter Hinweis auf § 319 Abs. 4 FamFG abgelehnt (7 AR 10/18). Mit Verfügung vom 20.02.2018 hat das Amtsgericht Meschede das Amtsgericht Brilon erneut um die Durchführung der Anhörung im Wege der Rechtshilfe gebeten. Das Amtsgericht Brilon hat das Ersuchen mit Schreiben vom 23.02.2018 mit der Bitte um Vorlage der Sache an das OLG Hamm dem Amtsgericht Meschede zurückgesandt (7 AR 12/18).
Mit seiner Vorlageverfügung vom 05.03.2018 hat das Amtsgericht Meschede die Sache gem. § 159 Abs. 1 S. 1 GVG zur Entscheidung übersandt.
II. Der gem. § 159 Abs. 1, Abs. 2 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Amtsgerichts Meschede ist in der Sache begründet.
Das ersuchte Amtsgericht Brilon ist verpflichtet, das Rechtshilfeersuchen zu erledigen, § 158 Abs. 1 GVG. Das Ersuchen um Rechtshilfe darf hiernach nicht abgelehnt werden. Eine Ausnahme gem. § 158 Abs. 2 GVG, wonach das Ersuchen (nur) dann abgelehnt werden kann, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist, liegt nicht vor. Das Ersuchen muss hierfür seinem Inhalt nach schlechthin unzulässig und nicht nur im konkreten Einzelfall verboten sein (Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 158 GVG Rdnr 3 m.w.N.). Das trifft auf die hier ersuchte Anhörung der Betroffenen zur Beschränkung ihrer Freiheit durch ein nächtliches Bettgitter nicht zu, da § 319 Abs. 4 FamFG insoweit die Anhörung im Wege der Rechtshilfe nicht völlig ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 02. März 2016 - XII ZB 258/15 -, Rdnr 12, Juris). Über die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens des ersuchenden Gerichts hat der ersuchte Richter als "verlängerter Arm" des ersteren nicht zu wachen (Zöller a.a.O. Rdnr 4 m.w.N.), weshalb es auf die Einschätzung des ersuchenden Richters ankommt, ob vorliegend die Voraussetzungen für eine - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässige (vgl. BGH a.a.O. Rdnr 13, juris) - Anhörung im Wege der Rechtshilfe vorliegen. Gleiches gilt für Fragen der Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit der Übertragung der Amtshandlung auf ein anderes Gericht (Zöller a.a.O.; OLG Brandenburg, B. v. 26.09.2013, 1 (F) Sa 15/13, juris Rdnr 6, jew. m.w.N.).
Auch ein Fall von Willkür oder offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit des Rechtshilfeersuchens, welcher ausnahmsweise die Ablehnung des Ersuchens rechtfertigen könnte (vgl. OLG Koblenz, B. v. 05.05.2008, 4 SmA 14/08, juris Rdnr 10; Zöller a.a.O. Rdnr 5, jew. m.w.N.) liegt nicht vor. Die Einrichtung, in der die Betroffene sich befindet, befindet sich im Bezirk des Amtsgerichts Brilon, weshalb das Ersuchen durch das Amtsgericht Brilon nicht abgelehnt werden durfte.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 11786175 |
FamRZ 2018, 1523 |