Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtige Entscheidung mangels protokollierter Verkündung
Leitsatz (amtlich)
Die Zustellung der Endentscheidung in einer Scheidungssache lässt nicht auf einen Verlautbarungswillen des Richters schließen, weil die Entscheidung den Beteiligten jedenfalls zuzustellen ist, ohne dass es auf die Form des Erlasses (Übergabe oder Verkündung) ankommt und ohne dass es dazu einer Verfügung des Richters bedarf.
Dass eine Verkündung stattgefunden hat, kann nur durch das Protokoll bewiesen werden.
Ein im Protokollierten vollständig fehlender Vorgang kann nicht im Wege der Auslegung als protokolliert angenommen werden. Einer Auslassung kommt vielmehr negative Beweiswirkung zu.
Ein vollständig fehlender Vorgang kann nicht durch Berichtigung nachträglich in das Protokoll aufgenommen werden.
Normenkette
FamFG § 38 Abs. 3; ZPO §§ 164-165, 166 Abs. 2, § 317 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 225/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird festgestellt, dass ein Beschluss des Amtsgerichts Nauen, der das Verfahren erster Instanz beendet hätte, nicht ergangen ist.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antragsgegner wendet sich gegen einen vermeintlichen Scheidungsausspruch.
Im auf Antrag der Antragstellerin begonnenen Scheidungsverfahren hat das Amtsgericht Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt, den Beteiligten einen darauf bezogenen Entscheidungsentwurf übersandt (Bl. 37 f. VA) und am 27. Juli 2017 mündlich verhandelt. Das über diese Verhandlung aufgenommene Protokoll, auf das verwiesen wird (Bl. 35 bis 37), weist die Antragstellung der Antragstellerin, die Zustimmung des Antragsgegners, die persönliche Anhörung beider Eheleute, die Erörterung des Versorgungsausgleichs, die Erörterung der Zugewinnausgleichssache und eine darauf bezogene Verfahrenserklärung des Antragsgegners aus.
Nach dem Protokoll und einer darauf bezogenen Verfügung der Geschäftsstelle (Bl. 38) ist in die Akte ein mit "Beschluss" überschriebenes Schriftstück eingeheftet (Bl. 39 bis 45). Danach habe das Amtsgericht "am 27.07.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2017 beschlossen", die Ehe zu scheiden und die Übertragung zweier Versorgungsanrechte anzuordnen. Nach einer Begründung folgt eine "Rechtsbehelfsbelehrung" (Bl. 44), die Unterschrift der Richterin und der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschriebene Vermerk: "Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Verkündung am 27.07.2017" (Bl. 45). Nach einer Abschrift folgt in der Akte eine nicht unterschriebene "Verfügung", nach der "beglaubigte Abschriften des Beschlusses vom 22.06.2017 hinausgegeben" werden sollen an die Verfahrensbevollmächtigten und die am Versorgungsausgleichsverfahren Beteiligten (Bl. 53 f.). Die Empfangsbekenntnisse der Verfahrensbevollmächtigten der Eheleute weisen die Zustellung beglaubigter Abschriften "des Beschlusses vom 27.07.2017" aus (Bl. 56, 60).
Der Antragsgegner hat Beschwerde erhoben. Er sei nunmehr gewillt, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Jedenfalls bedeute die Scheidung für ihn eine so schwere Härte, dass die Ehe ausnahmsweise aufrechterhalten werden müsse. Er sei auf Grund des Einvernehmens der Eheleute und wegen des überdurchschnittlichen Einkommens der Antragstellerin seit Jahren ohne Einkommen. Er werde wegen seines fortgeschrittenen Alters und seines schlechten Gesundheitszustandes künftig weder für seinen Lebensunterhalt noch auch nur für seine Krankenversicherung sorgen können.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen - Familiengericht - vom 27. Juli 2017 zum Geschäftszeichen 24 F 225/16 den Antrag auf Scheidung der am 1. März 1984 vor dem Standesbeamten ... zur Registernummer .../1984 geschlossenen Ehe der Parteien zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wendet sich gegen die vom Antragsgegner geltendgemachte außergewöhnliche Härte einer Scheidung der unwiederbringlich zerrütteten Ehe.
Nach einem Hinweis des Senats (Bl. 134) meint die Antragstellerin, die Verkündung des Scheidungsausspruches, bei der sie selbst, der Antragsgegner und die beiden Verfahrensbevollmächtigten anwesend gewesen seien, ergebe sich aus der Eingangsformel des Beschlusses. Sollte das Protokoll insoweit eine Lücke aufweisen, könne dies durch Auslegung behoben werden.
Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hingewiesen worden (Vfg. v. 9. April 2018, Bl. 114). Sie hatten Gelegenheit, auch zur Frage der fehlenden oder mangelhaften Verlautbarung eines instanzabschließenden Beschlusses Stellung zu nehmen. Es ist nicht ersichtlich, zu welchen Erkenntnisfortschritten eine mündliche Verhandlung über diesen Gesichtspunkt führen könnte.
Die Beschwerde führt zu der nicht konstitutiven, sondern nur klarstellenden Feststellung, dass das Verfahren erster Instanz nicht abgeschlossen ist. Ein verfahrensabschließender Beschluss, von dem die Bet...