Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge
Leitsatz (amtlich)
1. Befürwortet ein elfjähriges, in einem Loyalitätskonflikt befangenes Kind die gemeinsame Sorge seiner Eltern und ist bei Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten, so hat das objektive Interesse des Kindes, von den erheblichen Belastungen eines destruktiven Elternstreits freigehalten zu werden, Vorrang gegenüber seinem subjektiv geäußerten Willen.
2. Den objektiven Interessen des Kindes ist, da Eltern zu einer Streitbeilegung rechtlich nicht verpflichten werden können, durch Beibehaltung oder Anordnung der Alleinsorge Rechnung zu tragen, die ihrerseits geeignet ist, die Konfliktfelder zwischen destruktiv streitenden Eltern möglichst gering zu halten.
Normenkette
BGB § 1626a Abs. 3
Verfahrensgang
AG Zossen (Aktenzeichen 6 F 473/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Antrag des Antragstellers in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Zossen vom 22.08.2018 abgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde werden unter der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner gegeneinander aufgehoben.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR
Gründe
1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Mitübertragung der elterlichen Sorge für ihre eingangs genannte Tochter auf deren Vater, den Antragsteller.
Sie ist dessen Antrag auf Einräumung einer gemeinsamen Sorge unter anderem unter Hinweis auf eine unzureichende Kommunikation der Eltern untereinander entgegengetreten.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die elterliche Sorge den Antragsbeteiligten gemeinsam übertragen. Die Kommunikationsfähigkeit der Eltern liege - in Übereinstimmung mit der Wahrnehmung des Kindes - hinreichend vor, sodass die Eltern in Ansehung etwaiger Meinungsdifferenzen erforderlichenfalls auf das Entscheidungsübertragungsverfahren nach § 1628 BGB zu verweisen seien.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter. Das Amtsgericht habe eine hinreichen Kommunikationsfähigkeit der Eltern unzutreffend bejaht. Zudem sei, abgesehen von früheren körperlichen Übergriffen sowie einer Entziehung des Kindes jeweils ihr gegenüber, dem ihrer Ansicht nach leistungsfähigen Antragsteller mangels Unterhaltszahlung eine fehlende Übernahme elterlicher Verantwortung für das Kind vorzuwerfen, ebenso wie ein unzumutbares Maß an Eigenwilligkeit in Ansehung der Umgänge, die sich nicht einmal verbindlich regeln ließen.
Nach einem Bericht des Verfahrensbeistandes vom 13.08.2019 (128 ff) und einem Hinweis des Senats vom 27.09.2019 (138 f) erfolgte eine Vertretungsanzeige für den Antragsteller (vgl. 145). Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Das Amtsgericht hat die Beteiligten und das Kind persönlich angehört und die Berichte und Schreiben des Jugendamtes sowie des Verfahrensbeistandes vermitteln ein ausreichend verlässliches und vollständiges Bild der Beteiligten; es ist nicht ersichtlich, welche weiteren und besseren Erkenntnisse der Senat durch eine eigene Anhörung gewinnen könnte.
2. Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Die Voraussetzungen einer Sorgerechtsübertragung nach § 1626a Abs. 3 BGB liegen nicht vor.
Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Die gemeinsame elterliche Sorge scheidet aus, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 m.w.N.). Ist das der Fall, so entspricht sein subjektiver Wille nicht mehr seinem objektiven Interesse.
Anhand dieser Maßstäbe hat eine gemeinsame elterliche Sorge hier auszuscheiden. Es spricht nichts für eine hinreichende Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern, die die Verfahrensbeiständin, psychologisch zwar zutreffend, rechtlich allerdings unzutreffend vorrangig in der Pflicht sieht, das von dem Kind erlebte Spa...