Verfahrensgang

AG Brandenburg (Entscheidung vom 14.07.2017; Aktenzeichen 25 OWi 287/17)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 14. Juli 2017 wird zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 14. Juli 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bescheid vom 19. Januar 2017 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 24 km/h, die am 22. September 2016 um 8:22 Uhr auf der Bundesautobahn ... bei km ..., Fahrtrichtung ..., begangen worden sein soll, ein Bußgeld in Höhe von 100,00 € festgesetzt.

Nach Einspruch des Betroffenen hat der Bußgeldrichter mit Verfügung vom 27. März 2017 Termin zur Hauptverhandlung auf den 14. Juli 2017 anberaumt und hierzu den Betroffenen und dessen Verteidiger förmlich geladen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 11. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 12. Juli 2017, hat der Verteidiger neben Einwendungen gegen das in Anwendung gekommene Messverfahren unter Hervorhebung in Fettdruck beantragt, "den Betroffenen vom Erscheinen in der Hauptverhandlung am 14.07.2017 zu entbinden." Zur Begründung wird ausgeführt: "Die Fahrereigenschaft des Betroffenen wird zugestanden. Mein Mandant wird sich zur Sache nicht äußern. Da nur reduzierte Rechtsfolgen zu erwarten sind, liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor. Es wird um antragsgemäße Entscheidung gebten." (Bl. 4 Anwaltsschriftsatz vom 11. Juli 2017).

Ohne Bescheidung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel durch Urteil vom 14. Juli 2017 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 19. Januar 2017 verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung zum Termin der Hauptverhandlung nicht erschienen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich der nach der am 18. Juli 2017 erfolgten Urteilszustellung am 24. Juli 2017 bei Gericht angebrachte Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, den er mit weiterem bei Gericht am 27. Juli 2017 eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet hat, dabei zugleich die Rechtsbeschwerde erhebt und die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2017 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Der Antrag des Betroffenen hat - vorläufigen - Erfolg, er führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und auf die Rechtsbeschwerde hin zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs.

1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1, 2 OWiG statthaft und gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann als Prozessurteil nur mit der Verfahrensrüge beanstandet werden und im vorliegenden Fall - bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100,00 € - nur mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.

a) Die Antragsbegründung enthält - entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2017 - eine den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG noch ausreichende Verfahrensrüge. Denn soweit im Grundsatz bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs darzulegen ist, was der Beschwerdeführer im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, erfährt dies dann eine Ausnahme, wenn gerügt wird, die Verwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG beruhe auf einer unterbliebenen Entscheidung oder auf einer rechtsunwirksamen Ablehnung, den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht nur dann verletzt, wenn der Betroffene daran gehindert wird, zu den für die gerichtliche Entscheidung erheblichen Tatsachen Stellung zu nehmen, sondern auch dann, wenn das Gericht eine Stellungnahme des Betroffenen nicht zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt (vgl. dazu Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblatt, Art. 103, Rdnr. 94; ausf. statt vieler: Senatsbeschluss vom 19. November 2015, (1 Z) 53-OWi 540/15 (278/15); Senatsbeschluss vom 1. August 2011, (1 Z) 53 Ss-OWi 239/11 (134/11), ebenso 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. September 2005, 2 Ss (OWi) ...

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